Staatsanwaltschaft arbeitet auf Hochtouren
Land sagt zwei weitere Stellen zu – Jahrespressekonferenz erinnert an wichtigste Verfahren wie Mordfall Bögerl
ELLWANGEN - Auch wenn es eine heiße Spur im Mordfall Bögerl derzeit nicht gibt: „Wir sind weit davon entfernt, das Verfahren einzustellen.“Das hat Erster Staatsanwalt und Pressesprecher Armin Burger versichert. Es ist bei weitem nicht der einzige, dafür aber der prominenteste Fall, der die Staatsanwaltschaft Ellwangen 2016 beschäftigt hat und bis heute beschäftigt. Deshalb war er bei der bei der Jahrespressekonferenz am Freitag auch Thema.
„Wir haben noch Hoffnung, dass der Fall gelöst wird“, sagte Burger beim traditionellen Termin in der Bibliothek der Staatsanwaltschaft. Seit 2016 gehe wöchentlich mindestens ein Hinweis ein. Einer davon hatte vor rund zwei Wochen für Furore gesorgt, als die Polizei öffentlich und bundesweit, auch in der Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“, nach einem Mann gefahndet hatte, der sich in Hagen betrunken gebrüstet hatte, den Mord an der Bankiersgattin begangen zu haben. Der Königsbronner wurde an seiner Stimme auf einer Handyaufzeichnung erkannt, vorläufig festgenommen und überprüft, bis sich herausstellte: DNAProbe negativ.
„Keine Ermittlungspanne“
„Das war keine Ermittlungspanne“, ist es dem Leitenden Oberstaaatsanwalt Andreas Freyberger wichtig zu betonen. Immerhin hatte der Mann sich als Täter bezeichnet und Detailwissen gehabt. Nur: „Seine Aussagen allein reichen nicht für einen dringenden Tatverdacht.“Der Königsbronner ist wieder auf freiem Fuß, seine Motive bleiben laut Freyberger „nebulös“. Die Soko „Flagge“, im Juni 2016 aufgelöst und für die Fahndung öffentlichkeitswirksam wiederbelebt, ruht wieder. Nun bleibt ein erfahrener Ermittlungssachbearbeiter in Ulm am Fall Bögerl dran, berichtet Staatsanwalt Burger.
Kritik daran, dass die für die Fahndung entscheidende Stimmaufnahme des Gesuchten bereits im Sommer vorlag, aber erst im Herbst veröffentlicht wurde, kontern er und Freyberger: Die Aufnahmequalität sei so schlecht gewesen, dass die technisch bearbeitete Version erst im Spätjahr vorlag. Man habe in der Zwischenzeit intensiv, aber konventionell ermittelt. Und dass ein Phantombild dem Gesuchten so wenig ähnlich gesehen habe, dass niemand ihn darauf erkannte, konnten die Fahnder nicht ahnen. Letztlich zählt laut Burger: Der Mann sei identifiziert, das Ziel erreicht. Im Mordfall Bögerl ist damit eine von bisher insgesamt 10 300 Spuren abgehakt.
Zehn Verfahren täglich
Abgehakt hat auch die Staatsanwaltschaft Ellwangen im vergangenen Jahr so einiges: „Zehn Verfahren täglich werden von uns abgeschlossen, das ist beachtlich viel“, erklärte Hausherr Freyberger. Die Bandbreite reicht vom einfachen Ladendiebstahl bis zum hochkomplexen Verfahren mit vielen Beschuldigten und deren Verteidigern. Dafür arbeiteten die 23 Staats- und Amtsanwälte sowie die anderen Mitarbeiter in den Dezernaten „oft bis spätabends“, so Freyberger.
Angesichts der jahrelangen Überbelastung sei er dankbar dafür, dass nun das Land der Staatsanwaltschaft Ellwangen zwei weitere Vollzeitstellen zugesagt habe. In der Vergangenheit sei zu beobachten gewesen, dass die Justiz nur Abwehrkämpfe gegen Einsparungen ausfechten musste. „Erstmals ist es umgekehrt, neue Stellen werden zu Erleichterungen führen.“Wann die neuen Staatsanwälte ihren Dienst in Ellwangen antreten, sei allerdings noch offen. Und nicht zu übersehen sei, dass trotzdem weiter eine Unterdeckung herrschen werde angesichts der vielen Arbeit, die zu erledigen sei.
Die Zweitschnellsten
Im Jahr 2016 waren dies 19 605 Eingänge an Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte und 14 581 Verfahrenseingänge gegen Unbekannt, insgesamt also über 34 000 Fälle. Eine „schöne Sache“ist es laut Freyberger, dass die Zahl der erledigten Verfahren mit 19 653 die der neu eingegangenen mit bekannten Beschuldigten übersteigt. Trotzdem blieben zum Jahresende 2016 noch 2030 Verfahren offen. „Immerhin konnten wir diese Zahl gegenüber dem Vorjahr reduzieren“, lobte Freyberger, „aber nur, weil alle Mitarbeiter an ihre absoluten Grenzen gehen und sogar darüber hinaus.“Wieder war die Ellwanger Staatsanwaltschaft bei der Verfahrensdauer spitze. Durchschnittlich brauchte die Behörde 37,80 Tage bis zum Abschluss bei einem Durchschnitt von 48,48 Tagen. Sie war damit die zweitschnellste der acht Staatsanwaltschaften im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart.
Die meisten Verfahren werden eingestellt, in 23 Prozent wird öffentlich Klage erhoben. Dass dabei der Prozentsatz der Strafbefehle hoch ist, begrüßte der Leitende Oberstaatsanwalt. Eine Sanktion, die ohne Hauptverhandlung verhängt werde, erspare dem Beschuldigten die Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft Arbeit. Sieben Prozent der Verfahren aber münden doch in Anklagen. Deshalb verbrachten die Ellwanger Staatsanwälte im vergangenen Jahr 4182 Stunden in Gerichtssitzungen, ihre künftigen Kollegen in Ausbildung, die Rechtsreferendare, immerhin 668 Stunden. Es wurden 3388 Geldstrafen, 397 Freiheitsstrafen mit und 163 ohne Bewährung verhängt.
Die Staatsanwaltschaft Ellwangen hofft, dass auch der Fall Bögerl eines Tages vor Gericht kommt. Denn Mord verjährt nicht, daran erinnert Andreas Freyberger. „Selbst wenn das Verfahren eines Tages eingestellt wird – bei jedem neuen Ansatz nehmen wir es wieder auf.“