Geschäftsmodell Deutschland in der Kritik
Die Weltwirtschaft läuft nicht ohne Risiken. Sie liegen vor allem im Protektionismus, also in der Gefahr, den freien Handel einzuschränken, und in steigenden Zinsen. Dennoch hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für 2017 leicht von 3,4 auf 3,5 Prozent angehoben. Deutschland traut der IWF ein ebenfalls leicht von 1,5 auf 1,6 Prozent erhöhtes Wachstum zu. Für Frankreich und Italien sagen die Ökonomen Wachstumsraten von 1,4 und 0,8 Prozent voraus.
Was gut klingt, kann deutschen Vertretern den Auftritt auf internationalem wirtschaftspolitischem Parkett aber erschweren. Denn die gute wirtschaftliche Lage Deutschlands und seine ökonomischen Perspektiven werden nicht nur mit Bewunderung zur Kenntnis genommen. Es sind wieder einmal die hohen Außenhandelsund Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands, die die Handelspartner aufregen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stelle sich auf Kritik schon ein, sagte ein Regierungssprecher in Berlin, wenn er sich von morgen bis zum Samstag mit seinen Kollegen aus den 20 größten Industrieund Schwellenländern in Washington treffe. Immerhin habe selbst die Regierung von Donald Trump Deutschland zuletzt nicht als „Währungsmanipulator“eingestuft, also nicht unterstellt, es mit einer künstlich niedrigen Währung auf Preisvorteile außerhalb des Euro-Raums anzulegen.
Acht Prozent sind zu viel
Dafür hatte aber Christiane Lagarde, die Exekutivdirektorin des IWF, in einem Interview mit mehreren europäischen Zeitungen gesagt, es sei legitim für ein Land wie Deutschland mit seiner alternden Bevölkerung, wenn es nach einem Überschuss trachte. Aber acht Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung seien zu viel, die Hälfte genüge auch. Auch der französische Präsidentschaftsbewerber Emanuel Macron, der eigentlich einen mutigen europafreundlichen Wahlkampf führt und bei einem Berlin-Besuch auf enge Zusammenarbeit mit Deutschland aus war, hat sich zuletzt kritisch geäußert. Die deutsche Exportstärke hat er „nicht mehr tragbar“genannt.
Die Klagen über Deutschlands Exportstärke sind nicht aus den Fingern gesogen. Die langen Zahlenreihen des Statistischen Bundesamtes zur „Gesamtentwicklung des deutschen Außenhandels“umfassen mittlerweile 67 Jahre, von 1950 bis 2016. Nur zwei davon zeigen einen Importüberschuss. Das waren die Jahre 1950 und 1951, also fast noch Nachkriegsjahre. Seitdem gibt es nur Exportüberschüsse. Anfangs (1952) heute kümmerlich wirkende 361 Millionen Euro, 2016 gut 252 Milliarden Euro. Inzwischen ist vom „Geschäftsmodell Deutschland“die Rede. Das besteht kurz gesagt darin, der Welt die qualitativ hochwertigen Industriewaren aus Deutschland zu verkaufen, wenn es sein muss, wie in China, mit immer höherem Anteil an lokaler Fertigung, aber am liebsten auf dem Weg des Exports, also daheim produzieren, und im Ausland verkaufen. Und das nur unter Einsatz unbedingt notwendiger Importe.
Kreditgeber Deutschland
Natürlich muss niemand Autos und Medikamente, Maschinen und Kraftwerke in Deutschland kaufen. Aber die Qualität wird geschätzt, der Service, vor allem des Maschinen- und Anlagenbaus, auch. Den Rest zum beständig guten Ruf von „Made in Germany“steuern findige Ingenieure, umtriebige Unternehmer, gut ausgebildete Facharbeiter und ein Lohnniveau bei, das alles in allem wettbewerbsfähig ist. Nichts also, für das man sich schämen müsste.
Aber zumindest wirkt das auf Exportüberschüsse angelegte Geschäftsmodell Deutschland unbekümmert. Denn natürlich häuft ein Land, das mehr verkauft als es einkauft, Überschüsse an. Die können in – hoffentlich sinnvollen – Auslandsinvestitionen abgemildert werden. Aber einen Ausgleich hat Deutschland selten geschafft. Letztlich hat also die deutsche Volkswirtschaft ihren Kunden Kredit gewährt. Darin liegt die Verantwortung des „Geschäftsmodells Deutschland“: Wer beständig mehr verkauft als kauft, muss penibel auf die Kreditwürdigkeit der Kundschaft achten.