Leibertingens delikate Fasten-Exerzitien im Adler
Ein bisschen eigenartig ist das ja schon mit den traditionellen Fastenspeisen während der 40 Tage vor Ostern: Am Aschermittwoch gibt es allerorten überaus mächtige Kässpätzle, gekrönt von geschmälzten Zwiebeln mit flüssiger Butter. Oder es locken reichhaltige Fischbüffets, die unter dem Reichtum der Meere zusammenzubrechen drohen. Ob Fasten und Verzicht ursprünglich so gedacht waren?
Wie dem auch sei: Die Fastenzeit beschert uns Menschen im Adler in Leibertingen jedenfalls alljährliche Fischwochen – noch bis einschließlich 12. März – wo es geradezu von delikatem Fisch auf der Karte wimmelt. Das ist umso beeindruckender, weil man der provinziellen Abgeschiedenheit des Örtchens Leibertingen nicht ohne Weiteres einen Adler zutraut, der an einem gewöhnlichen Wochentag Hummer, Seewolf, Oktopus, Steinbutt und noch mehr der delikaten Meerestiere auf der Karte stehen hat. Welch Segen für den geschmacksbewussten Fasten-Asketen! Die Maultaschen mit Ricotta- und Garnelenfüllung haben mit Verzicht nichts zu tun. Schon gar nicht die exquisite Hummersoße, in der die Teigwaren sich kreuzen. Ein tiefer Atemzug über dem Teller vermittelt das Gefühl einer würzigen Meeresbrise, eingeatmet am Hafen von Nizza. Das Möwengekreisch muss man sich in der eichenholzlastigen Gaststube natürlich dazudenken. Im Grundton befeuert der intensive Krustentierfond die filigranen Maultäschle, die eine sehr weiche Textur aufweisen. Die Füllung setzt dem wuchtigen Fischaroma die Zartheit des Ricotta-Käse entgegen.
Eine Steigerung dieses mediterranen Wohlgefühls vermag die darauffolgende Fischsuppe mit absolut grätenfreien Filetstücken zu bilden. Die Brühe umwölkt ein breites Aromenspektrum, aus dem der fast verschwenderisch verwendete Safran deutlich hervortritt. Den frischen Kontrast zum weichen Fisch geben die feinen Gemüsestreifen mit grünem Knack ab. Formidabel abgeschmeckt, runden ein paar Miesmuscheln das Gesamtbild der Suppe ab, die im Nachhall noch eine angenehme Schärfe am Gaumen aufblühen lässt.
Obwohl es aufgrund der fischigen Kostproben naheliegt, ist der Adler natürlich kein Fischrestaurant. Küchenchef Peter Veeser hat ein Händchen dafür, schwäbische Traditionalisten mit kulinarischen Novitäten vom klassischen Zwiebelrostbraten – den es im Adler natürlich auch gibt – wegzulocken. Zum Beispiel wenn er Heuduftbraten vom Ochsen auftischt oder Bratlinge von der Alblinse. Dem Schwerpunkt Wild wird Veeser ebenso gerecht, was das Ragout von Hirsch, Reh und Wildschwein aufs Köstlichste beweist, in dem sich die drei Wildarten gemeinsam in einer wacholderschwangeren Soße vereint finden, und dennoch für sich gut unterscheidbar bleiben. Weil man es mit dem Fasten nicht übertreiben soll, ein Dessert: Eine mächtige und mit Schokolade überzogene Praline vom MacadamiaNuss-Eis. Praline ist allerdings eine arge Verniedlichung, handelt es sich doch um eine Portion, die größenmäßig an ein Stück Kuchen gemahnt. Vielleicht ein bisschen zu fest und süßlich, aber trotzdem jede Kalorie wert. Schließlich muss man sich für die Fastenzeit rüsten, die ja noch lang genug dauert.