Besuch in Zeiten der Krise
Dreitägige Armenienreise von Papst Franziskus – Aussage zu Völkermord erwartet
ROM/ERIWAN (dpa) - Spätestens seit der Bundestag das Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord eingestuft hat, ist die christlich geprägte Südkaukasusrepublik in Deutschland wieder ein Begriff. Am heutigen Freitag bricht nun Papst Franziskus zur mit Spannung erwarteten Reise nach Armenien auf. Aber die große Frage bleibt: Wird der Pontifex, der auch auf seinen Reisen immer wieder mit überraschenden Aussagen für Furore sorgt, ebenfalls das Wort „Genozid“verwenden und möglicherweise erneut die Türkei verärgern?
Vatikansprecher Federico Lombardi jedenfalls vermied bei der offiziellen Vorstellung der Papstreise am Montag geschickt den Begriff und sprach stattdessen mehrmals vom „großen Übel“oder der „großen Tragödie“. Auf die Frage eines Journalisten, wie es Franziskus halten werde, sagte der gewiefte Medienprofi Lombardi lächelnd: „Wir werden sehen. Ich nehme nie die Reden des Papstes vorweg.“
Das Osmanische Reich hatte vor 101 Jahren im Ersten Weltkrieg mit der Verfolgung und Vertreibung der Armenier begonnen. Es verdächtigte die christliche Minderheit, mit dem Kriegsgegner Russland zu kollaborieren. Nach armenischen Schätzungen kamen bis zu 1,5 Millionen Armenier um. Die Türkei, Rechtsnachfolger des Osmanischen Reiches, lehnt den Begriff des Völkermords jedoch vehement ab.
Deutliche Worte zum Genozid
Bereits einmal hatte Franziskus das heikle Thema angeschnitten und weltweit Schlagzeilen produziert. Anlässlich des 100. Jahrestages bezeichnete er die Massaker im vergangenen Jahr bei einer Messe im Petersdom als „ersten Völkermord im 20. Jahrhundert“. Daraufhin bestellte die Türkei den Vatikan-Botschafter ins Außenministerium in Ankara ein. Armeniens Präsident Sersch Sargsjan hingegen lobte die Äußerungen des Papstes als „starkes Signal“an die internationale Gemeinschaft.
In der kleinen Ex-Sowjetrepublik erwarten die Armenier mit großer Spannung den dreitägigen Besuch des 79 Jahre alten Argentiniers, der laut Lombardi bereits in seiner Heimat mehrmals mit der dortigen armenischen Gemeinschaft in Kontakt war. Millionen Nachkommen der 1915 vertriebenen Armenier leben heute im Ausland. Auch eine der berühmtesten Biografien über Franziskus hat eine armenischstämmige Autorin geschrieben. Die in Argentinien lebende Evangelina Himitian werde ebenfalls anlässlich des Besuchs nach Armenien reisen, hieß es.
Doch nicht nur in Sachen Völkermord-Gedenken dürfte Franziskus Schlagzeilen machen. Die Armenier hoffen, dass er auch den Konflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan um das von Baku abtrünnige Gebiet Berg-Karabach ansprechen wird. Erst im April waren in der Unruheregion mehr als 120 Menschen getötet worden. Die Angst vor einem Krieg ist wieder gewachsen.
Ende dieser Woche in Armenien trifft er neben Vertretern der Kirche des Landes auch die Staatsführung. Bei der Begegnung mit Staatspräsident Sersch Sargsjan dürfte Berg-Karabach ebenfalls im Mittelpunkt stehen. Zudem will er am Samstag den Denkmalkomplex Zizernakaberd besuchen und dort unter anderem einen Kranz im Gedenken an die armenischen Opfer niederlegen. Ein Friedensgebet am Samstagabend auf dem Platz der Republik in Eriwan soll zentraler Programmpunkt sein.