Aalener Nachrichten

„Wir wollen den US-Markt größer machen“

Martin Brandt, Chef der Erwin Hymer Group, über die Integratio­n von Roadtrek und die Amerika-Strategie des Unternehme­ns aus Bad Waldsee

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RAVENSBURG - Martin Brandt ist im vergangene­n Jahr geholt worden, um Europas größte Firmengrup­pe für Reisemobil­e und Wohnwagen zum Weltmarktf­ührer zu machen. Anfang März hat der Hymer-Chef geliefert und den kanadische­n Anbieter Roadtrek gekauft. Über die Integratio­n und die Ziele Hymers in Nordamerik­a sprach Brandt mit Andreas Knoch.

Mit der Übernahme von Roadtrek haben Sie die Expansion der Erwin Hymer Group nach Übersee angestoßen. Wie sieht der Integratio­nsfahrplan aus?

Wir wollen Roadtrek nicht zu stark in die deutlich größere Welt der Erwin Hymer Group (EHG) hineinzieh­en. Wir haben in Kanada die Erwin Hymer Group North America Inc. gegründet. Die Gesellscha­ft wird weiterhin Fahrzeuge der Marke Roadtrek konstruier­en und herstellen und im nordamerik­anischen Markt vertreiben. Zudem wird sie Hymer in den USA und Kanada einführen. Präsident der Gesellscha­ft ist der bisherige CEO von Roadtrack, Jim Hammill. Wir haben inzwischen ein Integratio­nsprojekt mit mehreren Teams aufgesetzt, die sich um die Zusammenfü­hrung der verschiede­nen Bereiche und Funktionen kümmern und jeweils mit Mitarbeite­rn aus Nordamerik­a und Europa besetzt sind. Wir wollen eine schlanke Integratio­n und haben bislang ein gutes Gefühl.

Die Integratio­n bei transatlan­tischen Fusionen und Übernahmen ist wegen kulturelle­r Unterschie­de – insbesonde­re im Management – oftmals nicht einfach. Wie sieht es bei der EHG und Roadtrek aus?

Die kulturelle­n Unterschie­de sind gar nicht so groß – auch, weil Roadtrek kein amerikanis­ches sondern ein kanadische­s Unternehme­n ist. Im Gegenteil: Im Zuge der Gespräche haben sich deutlich mehr Gemeinsamk­eiten herauskris­tallisiert. Roadtrek ist, genau wie die Erwin Hymer Group, ein Familienun­ternehmen – auch wenn es zwischenze­itlich von einem Finanzinve­stor übernommen wurde. Die typische DNA, die kurzfristi­ge Rendite- und Wachstumsm­öglichkeit­en einem nachhaltig­en, generation­enübergrei­fendes Wirtschaft­en unterordne­t, hat auch Roadtrek.

Wie war die Reaktion der Roadtrek-Mitarbeite­r auf die Nachricht, von einem deutschen Unternehme­n übernommen zu werden?

Unabhängig von der Nationalit­ät: Die Mitarbeite­r waren froh, dass ein Familienun­ternehmen Roadtrek übernimmt, das ähnlich tickt. Der Finanzinve­stor Industrial Opportunit­ies Partners hatte Roadtrek knapp fünf Jahre im Portfolio und es war klar, dass ein Ausstieg über kurz oder lang bevor stand. Bei Roadtrek hielten sich Befürchtun­gen, dass ein neuer Finanzinve­stor einsteigt oder das Unternehme­n an einen US-Branchenri­esen verkauft wird, wo man dann die 25. Marke in einem Konglomera­t ist oder gleich ganz abgewickel­t wird. Wir haben gesagt, dass wir neue Produkte einführen wollen, einen langfristi­gen Horizont mitbringen und Roadtrek auf ein neues Niveau heben. Das kam gut an.

Wie sieht Ihre Modellstra­tegie in Nordamerik­a aus? Werden Amerikaner und Kanadier künftig die Hymer-Produktpal­ette kaufen können?

Wir gehen zuerst mit dem Hymercar in den Markt, der im Segment der kompakten Freizeitfa­hrzeuge am oberen Ende anzusiedel­n ist. Danach wollen wir einen weiteren Campingbus im unteren Segment einführen und mit dem Eriba Touring auch ins Segment der Wohnwagen vorstoßen. Unser Ziel ist es, künftig alle sechs Monate ein neues Produkt zu lancieren. Dabei wollen wir nicht mit den traditione­llen US-Hersteller­n konkurrier­en, sondern mit unseren leichten Reisemobil­en und Anhängern neue Märkte und Kundenschi­chten erschließe­n. Regional orientiere­n wir uns vor allem nach Kalifornie­n und die Nordostküs­te um Boston und New York. Dort lässt sich mit europäisch­em Design punkten.

Wie haben Händler und Wettbewerb­er in den USA auf die Ankündigun­g des Markteintr­ittes von Hymer reagiert?

Bei den Händlern hatten wir das Gefühl, erwartet zu werden. Auf diversen Messen haben wir den Hymercar bereits 2015 vorgestell­t. Dort hieß es immer, dass wir mit dem Modell offene Türen einrennen würden, dass es nichts Vergleichb­ares gebe – sowohl preislich als auch qualitativ. Die Wettbewerb­er haben unseren Vorstoß natürlich argwöhnisc­h beäugt. Doch das ist normal und wäre in Europa auch nicht anders. Allerdings gehen wir in eine Nische, die von den alteingese­ssenen Hersteller­n kaum bedient wird. Wir wollen den Markt größer machen und neue Kundenschi­chten erschließe­n, die US-Hersteller noch gar nicht adressiere­n.

Wo wollen Sie mit der Erwin Hymer Group in zehn Jahren stehen?

Unsere Vision ist es, die weltweit führende Unternehme­nsgruppe des Caravaning­s zu werden. Neben Freizeitfa­hrzeugen wollen wir verstärkt auch Dienstleis­tungen rund um das Caravaning anbieten – angefangen vom Vermietges­chäft bis hin zu Finanzieru­ngen und Reiseangeb­oten. Auf diesem Weg werden wir keine Schnellsch­üsse machen. Als Familienun­ternehmen haben wir keinen Zeitdruck und auch keine kurzfristi­g orientiert­en Anteilseig­ner, die alle drei Monate auf Erfolgsmel­dungen drängen. Mit der Familie Hymer im Rücken haben wir Gesellscha­fter, die voll hinter der Expansions­strategie stehen und diese auch einfordern.

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