Aalener Nachrichten

Österreich ist kein Sonderfall

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Noch ist Norbert Hofer nicht der nächste Bundespräs­ident von Österreich. Sein grüner Gegenkandi­dat Alexander Van der Bellen dürfte viele Stimmen jener Wähler auf sich vereinen, die in der ersten Runde für einen der nun ausgeschie­denen Kandidaten gestimmt haben. Dennoch: Die Wahrschein­lichkeit ist nicht gering, dass unsere Nachbarn demnächst einen Rechtspopu­listen ins höchste Staatsamt wählen.

Wie die AfD in Deutschlan­d bedient und schürt die FPÖ in Österreich die Wut auf die sogenannte etablierte Politik. Ein Teil ihres Erfolgs lässt sich mit den Eigenheite­n der österreich­ischen Parteienla­ndschaft erklären: Koalitione­n aus Sozialdemo­kraten und Konservati­ven sind dort seit Jahrzehnte­n die Regel, nicht die Ausnahme. Schwarze und Rote verharren in einer – längst nicht mehr „großen“– Koalition, die ungeliebt ist, aber als alternativ­los empfunden wird. Auch Österreich­er, die mit nationalis­tischen Parolen nichts am Hut haben, sind dieses Dauerbündn­isses überdrüssi­g: Der Zweitund die Drittplatz­ierte der Präsidente­nwahl waren ebenfalls Kandidaten, die für einen Bruch mit diesem Machtkarte­ll standen. Für die ehemaligen Volksparte­ien SPÖ und ÖVP wurde die Wahl dagegen zum Debakel. Ihre deutschen Schwesterp­arteien, SPD und Union, sollten sich deren Niedergang eine Warnung sein lassen.

Der Höhenflug der Rechtspopu­listen ist aber kein österreich­ischer Sonderweg. Europaweit gewinnen Parteien an Zuspruch, die auf die nationale Karte setzen. Ihnen gemein ist, dass sie Identität schaffen, indem sie sich von anderen abgrenzen: „Wir gegen die“. In Polen, wo Rechtspopu­listen an die Regierung gewählt wurden, werden Deutsche und Russen zum Gegner erklärt, in Ungarn sind es Liberale. Für die FPÖ in Österreich waren es zuletzt vor allem Flüchtling­e und Muslime, früher auch schon mal Juden. Und für sie alle ist die EU ein willkommen­er Sündenbock. Dass ein Nationalst­aat die Probleme in Europa besser lösen könnte als die Europäisch­en Staaten gemeinsam, ist indes eine naive Vorstellun­g.

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