Fünf Jahre Haft für Giacometti-Fälscher
Landgericht Stuttgart verurteilt 56-Jährigen wegen Betrugs
STUTTGART (dpa) - Die Figuren waren falsch, die Legende um ihre Herkunft auch – mit nachgemachten Giacometti-Skulpturen verdiente eine Bande in Deutschland Millionen. Der Fälscher der Figuren muss nun mehr als fünf Jahre ins Gefängnis.
Kurz vor dem Urteil wird der Angeklagte demütig. „Es war zwar kein Kavaliersdelikt, aber böse Absicht war nicht im Spiel“, sagt der 56-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart. „Was passiert ist, tut mir sehr leid.“Das Gericht verurteilt ihn zu fünf Jahren und drei Monaten Haft. Er soll mehr als 1000 Skulpturen des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti (1901-1966) gefälscht haben. Dem Angeklagten wird bandenund gewerbsmäßige Urkundenfälschung und Betrug vorgeworfen. Der Schaden beträgt demnach mindestens 4,75 Millionen Euro.
Passend zu den falschen Figuren erfanden die Komplizen des Bildhauers für den Verkauf eine Legende über die Herkunft der Skulpturen. Ein Mitglied der Bande gab sich als „Reichsgraf von Waldstein“und Freund von Alberto Giacomettis Bruder Diego aus. Gutgläubigen und betuchten Kunstfreunden erzählte er, die Skulpturen stammten aus einem von den Erben Giacomettis geheim gehaltenen Fundus. Zum Beweis legte er ebenfalls gefälschte Echtheitszertifikate sowie das Buch „Diegos Rache“vor.
Der „Graf“wurde 2011 zu mehr als neun Jahren Haft verurteilt. Insgesamt hat das Landgericht bereits fünf Urteile in dem Fall gesprochen. Weitere Verfahren sind unter anderem in Stuttgart anhängig. Der Kunstfälscher erklärte nach der Urteilsverkündung, keine Rechtsmittel einlegen zu wollen.
1500 Plagiate bestellt
Der Heidelberger Kunsthistoriker Henry Keazor hatte den Fall bereits mit den ganz großen Fälschungsskandalen vergangener Jahre verglichen, etwa jenen um den „Fälscherfürsten“Wolfgang Beltracchi, über den es sogar einen Kinofilm gibt.
Während des Verfahrens war der nun verurteilte Bildhauer deutlich selbstbewusster aufgetreten. Er stellte sich als glühenden Verehrer Giacomettis dar, bezeichnete dessen Kunst als „super-genial einfach“und sich selbst auf seiner Internetseite als „einer der erfolgreichsten Kunstfälscher der Welt“. Bereits zu Beginn des Verfahrens legte er ein umfassendes Geständnis ab.
Von 2001 bis 2009 soll die Bande mit den spindeldürren menschlichen Skulpturen gehandelt haben, einige der Taten sind mittlerweile verjährt. Der Bildhauer erzählte, 1500 Plagiate habe man bei ihm angefordert. Viele der Skulpturen trugen die für Giacometti typischen Signaturen und ebenfalls gefälschte Stempel seiner Gießwerkstätten – inzwischen sind die meisten eingeschmolzen.
Das Gericht geht davon aus, dass der Bildhauer rund 390 000 Euro Gewinn gemacht hat. Die Figuren hatten einen Materialwert von jeweils rund 100 Euro.
Alberto Giacometti gilt als teuerster Bildhauer der Welt. Die Bronzefigur „Zeigender Mann“wurde kürz- lich für mehr als 141 Millionen Dollar versteigert – ein Auktionsrekord für Skulpturen. 500 solcher Kunstwerke soll der Schweizer maximal geschaffen haben.
Die Fälscherbande flog vor sechs Jahren auf, als sie einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg gefälschte Metallskulpturen für 1,3 Millionen Euro anbot. Wenig später wurde in Mainz ein Lager mit knapp 1000 Skulpturen ausgehoben.