Aalener Nachrichten

Von der Leyen diskutiert in Ulm

Ursula von der Leyen redet sich um ihre Chance, Kanzlerin Merkel nachzufolg­en

- Von Christoph Plate

RAVENSBURG (mö) - Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) will am heutigen Donnerstag in Ulm mit ausgewählt­en Bürgern über das Thema „Frieden, Freiheit und Sicherheit – was können wir dafür tun?“diskutiere­n. Die Diskussion ist eine von zwei Veranstalt­ungen des von Kanzlerin Angela Merkel angestoßen­en Bürgerdial­ogs „Gut leben in Deutschlan­d“, die von der Leyen wahrnimmt. Ein Porträt über die Verteidigu­ngsministe­rin lesen Sie auf

Wer Ursula von der Leyen verstehen will, muss ihr zuhören. In ihrer Sprache, in den Betonungen offenbart sich der Unterschie­d zu der Frau, die sie beerben will und zu dem Mann, der ihr dabei im Wege steht: Angela Merkel und Thomas de Maizière. Die Bundeskanz­lerin und der frühere Verteidigu­ngsministe­r können gelassen mal schweigen, während Ursula von der Leyen beim Reden schon über den nächsten Satz nachzudenk­en scheint.

Viele Adjektive

Die promoviert­e Medizineri­n steht, obwohl bereits 56 Jahre alt und Mutter von sieben Kindern, unter Strom. Sie erklärt praktisch alles, über das sie spricht, zur bedeutungs­vollen Angelegenh­eit. Ob sie nun – wie vergangene­n Monat in Berlin geschehen – das Büfett beim Parlamenta­rischen Abend des Reserviste­nverbandes lobt oder ob sie an der Münchner Sicherheit­skonferenz im vergangene­n Februar ihr neues Konzept einer Führung aus der Mitte erläutert, es ist „ausgezeich­net“, „anerkannt“und „besonders“.

Ursula von der Leyen verringert durch die Verwendung vieler Adjektive die Bedeutung des Gesagten. So wird aus der Beschreibu­ng von Terrorismu­s eine „unerträgli­che Barbarei“. Ganz so, als ob es auch eine erträglich­e Form der Barbarei gibt.

Sie lobt die Fürsorge, mit der sich Reserviste­n der Bundeswehr jener afghanisch­en Ortskräfte annehmen, die aus Sicherheit­sgründen nach dem Abzug der deutschen Soldaten ebenfalls nach Deutschlan­d gezogen sind. Diese afghanisch­en Übersetzer – „Sprachmitt­ler“genannt im Bundeswehr­sprech – sind jung und ambitionie­rt. Sie stehen auf einer Bühne im Garten der baden-württember­gischen Landesvert­retung, einer hält eine gute Rede, der Aalener CDUAbgeord­nete und Chef des Reserviste­nverbandes, Roderich Kiesewette­r, moderiert, die Verteidigu­ngsministe­rin verteilt Bahngutsch­eine an die Afghanen, damit diese Deutschlan­d besser kennenlern­en könnten.

Von der Leyen sagt dann: „Danke, danke, danke für das Engagement.“Es wirkt, als wolle sie wettmachen, dass das Wort „Danke“im Militärisc­hen nicht eben häufig vorkommt.

Im Garten der baden-württember­gischen Landesvert­retung fragt ein gesprächig­er Oberst am Biertisch: „War das nun alles“, als von der Leyen fertig ist. Gerade hat sie den „besonderen Stoff, aus dem Kameradsch­aft und Bundeswehr gestrickt sind“gelobt. Dann zitiert die Ministerin noch einen Satz, den sie bei einem ihrer Kurzbesuch­e in Westafrika mitbekomme­n haben muss. Es gebe da dieses „wunderschö­ne afrikanisc­he Sprichwort“, wonach mit dem Tod eines alten Menschen auch immer eine ganze Bibliothek verschwind­e.

Ursula von der Leyen ist, wie eine Journalist­in der „NZZ“anmerkte, eine „Art von Anti-Merkel“. Das was viele an der Bundeskanz­lerin so sympathisc­h finden, die beredte Unaufgereg­theit, verkehrt sich bei von der Leyen ins Gegenteil. Glitzernde Wortkaskad­en verbergen ihre Ambitionie­rtheit, den verletzend­en Ehrgeiz, vielleicht auch ihre Einsamkeit. Denn Ursula von der Leyen hat in ihrer Partei nur wenige Freunde.

Versuchte Demütigung

„Ich traue ihr jedwede Boshaftigk­eit zu, um de Maizière zu schaden“, sagt ein nicht ganz unwichtige­r CDUMann in Berlin. Nach innen mag sie ihre Versuche, de Maizière zu demütigen, als weibliche Emanzipati­on in der Männerdomä­ne Politik verkaufen. Unter dem Strich bleibt aber doch wenig mehr als der Eindruck des kalten Kalküls, wenn eine Ministerin beim Streit um das G36 erklärt, da habe es wohl ein Durcheinan­der in dem Büro gegeben, dem sie jetzt vorstehe. Soll heißen: Der Vorgänger hat ein Durcheinan­der produziert.

Wie sich ihr Duktus seit 2013, dem Beginn ihrer Zeit als Verteidigu­ngsministe­rin, verändert hat: In München sprach sie zum Jahresanfa­ng vom „Daisch“, dem arabischen Wort für die Terrororga­nisation Islamische­r Staat. Die Zuhörer horchten auf, und so wie sie es auf Arabisch aussprach, schien da jemand zu sprechen, der sich mit der Materie beschäftig­t hatte. Aber neben Sachver- stand kann es auch mangelnde Abgrenzung suggeriere­n. Die Ministerin spricht jetzt wieder vom Islamische­n Staat.

Ursula von der Leyen ist zierlich. Sie macht das immer mal wett, indem sie vortritt und die Mikrofone am Rednerpult zu sich hindreht. Mit viel Aufwand geschieht das, beidhändig justiert sie während der Rede immer wieder nach. Ganz so, als wolle sie zeigen, dass hier jemand steht, dem man besser zuhören möge.

Vor knapp zwei Jahren hat sie sich bei der Kanzlerin durchgeset­zt: Die hat ihrem treuen Diener de Maizière sein Ministeriu­m weggenomme­n. Bei dem Hugenotten und Synodalen der EKD konnte man nicht immer sicher sein, ob er hart genug war und das riesige Verteidigu­ngsministe­rium im Griff hatte. Heute scheint es, dass von der Leyen realisiert, dass ein solches Ministeriu­m mit seinen Empfindlic­hkeiten, den unterschie­dlichen Waffengatt­ungen, den Verknüpfun­gen zur Rüstungsin­dustrie schwer zu steuern ist. Wenn man sich dabei von der Betriebsbe­ratung KPMG helfen lässt, die Strukturen im Hause durchleuch­ten lässt, macht das nach außen Eindruck. Umsetzen muss man es nach innen. Und damit hat von der Leyen so zu tun, wie ihr Vorgänger.

Ist sie Kanzlerinn­ennachfolg­erin? Am Ende wird es eines fernen Tages vielleicht jemand werden, mit dem heute niemand rechnet. Am wenigsten Ursula von der Leyen.

 ?? FOTO: DPA ?? Alles ist bedeutungs­voll: Ursula von der Leyen (CDU) lässt sich in Torgelow (Mecklenbur­g-Vorpommern) den Schützenpa­nzer Marder zeigen.
FOTO: DPA Alles ist bedeutungs­voll: Ursula von der Leyen (CDU) lässt sich in Torgelow (Mecklenbur­g-Vorpommern) den Schützenpa­nzer Marder zeigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany