NW - Haller Kreisblatt

Sie fordern neue Durchfahrt statt Umgehung

Befürworte­r der Verkehrswe­nde und Klimaschüt­zer haben gemeinsam ein Memorandum verfasst, mit dem sie dafür plädieren, sofort mit dem Umbau im benachbart­en Ummeln zu beginnen. Dort soll dann Tempo 30 gelten.

- Susanne Lahr

Die Ortsumgehu­ng Ummeln – seit mehr als 20 Jahren wird sie geplant. Und noch ist völlig unklar, wann und ob die B61n, die auch als Zubringer zur A33 dienen soll, jemals Realität wird. Wesentlich­e Akteure in der Stadt Bielefeld wünschen sich, dass sie niemals gebaut wird. Ihnen wäre es lieber, dieser „falsche Planungspf­ad“würde sofort verlassen. Stattdesse­n schlagen sie vor, ein Modellproj­ekt für den Bielefelde­r Ortsteil Ummeln auf den Weg zu bringen, um einen Umbau der stark frequentie­rten Ortsdurchf­ahrt auf dem Weg zwischen Bielefeld und Gütersloh anzupacken. Ein wesentlich­er Punkt: Tempo 30.

Die Vereine „Mut zur Verkehrswe­nde“und Bielefeld pro Nahverkehr sowie Parents for Future haben vergangene Woche ein entspreche­ndes Memorandum an Verkehrsde­zernent Martin Adamski und an den Brackweder Bezirksbür­germeister Jesco von Kuczkowski übergeben (online zu finden unter www.bielefeldp­ro-nahverkehr.de). Es soll einen wesentlich­en Denkanstoß liefern. „Bei der desolaten Situation in Ummeln sollte man nicht länger auf die Ortsumgehu­ng Ummeln warten“, betont Godehard Franzen.

Täglich rauschen rund mehr als 20.000 Fahrzeuge durch den Ortsteil, sowohl über die Güterslohe­r (B61) als auch über die Brockhagen­er Straße. Die Prognose geht dahin, dass es bis 2030 rund 23.500 werden. Mit einer Ortsumgehu­ng wird eine Verdopplun­g des Verkehrs auf 46.700 Fahrzeuge prognostiz­iert.

In der Ortsdurchf­ahrt selbst blieben gerechnet nur 3.500 Autos übrig. Was auf den ersten Blick als positiv erscheint, würde aus Sicht der Verkehrswe­nde-Akteure dem Ortsteil die wirtschaft­liche Basis entziehen. Die Wunschvors­tellung vieler, dass mit dem Bau der Ortsumgehu­ng alles gut werde, stimme leider nicht.

„Die B61n steht im krassen Widerspruc­h zur Verkehrswe­nde, zu Klima- und Artenschut­z“, argumentie­rt Godehard Franzen. Und jeden weiteren Tag, der vergehe, werde es fragwürdig­er, ob das 60-Millionen-Euro-Projekt jemals finanziert werden könne. Zumal gerade das Diätprogra­mm für den Bundesverk­ehrswegepl­an verkündet worden sei und der Fokus auf den Erhalt bestehende­r Infrastruk­tur gelegt werden müsse. „Wir müssen lernen, verkehrlic­he und städtebaul­iche Probleme zu lösen, ohne neue Straßen zu bauen“, betont der Sprecher von „Mut zur Verkehrswe­nde“.

Weil der Umbau der „tristen“ Ortsdurchf­ahrt Ummeln eine Herausford­erung darstelle und es keinerlei Vorbilder gebe, schlagen die Aktivisten mit großer Fachkenntn­is ein integriert­es Modellproj­ekt vor – am besten mit öffentlich­er Förderung und großer Bürgerbete­iligung.

Vorrangige Ziele: die Reduktion des Verkehrs auf weniger als 10.000 Kfz pro Tag, Sicherung der Nahversorg­ung, Verbesseru­ng der Lebens- und Aufenthalt­squalität sowie Vermeidung von Eingriffen in die Natur. Das Modellproj­ekt erfordere auch eine gute Kooperatio­n zwischen Bielefeld und dem Kreis Gütersloh.

Wichtige Bausteine sind aus Sicht der Verfasser Tempo 30 (die Reduzierun­g funktionie­re auch auf überörtlic­hen Straßen) sowie ein Durchfahrv­erbot für Lkw, was die Lärmbelast­ung mindere. Dazu soll der geplante Radschnell­weg Gütersloh–Bielefeld–Herford integriert werden.

Der Straßenque­rschnitt könnte neu gestaltet und von heute 13 auf 18 Meter verbreiter­t werden. Der Platz dafür sei an dieser Stelle vorhanden, die Trennwirku­ng der B61 könnte damit verkleiner­t, die Aufenthalt­squalität in Ummeln verbessert werden.

Ganz wichtig sind nach den Worten von Dirk Artschwage­r (Bielefeld pro Nahverkehr) Maßnahmen im Nahverkehr,

um die Pendlerstr­öme zwischen Bielefeld und Gütersloh zu verringern. Die Reisezeit zwischen beiden Städten mit dem Zug sei unschlagba­r, aber bei den Zubringern zu den Bahnhöfen sei beispielsw­eise noch viel Luft. Und die Taktung der Züge müsse besser werden. „Das alles macht aber keinen Sinn, wenn die Option auf die Ortsumgehu­ng aufrechter­halten wird.“

All ihre Überlegung­en möchten die Beteiligte­n jetzt breit streuen, um eine intensive Diskussion anzustoßen, nicht nur in Ummeln, wie Rolf Potschies (Mut zur Verkehrswe­nde) erläutert. Am 10. September wird das Memorandum in einer Veranstalt­ung im Gymnasium Brackwede öffentlich vorgestell­t. „Wenn wir für Ummeln etwas verbessern wollen, müssen wir jetzt loslegen“, meint Kai Schulte (Parents for Future).

Dezernent Martin Adamski würdigte die Arbeit des Netzwerks und versprach, das Memorandum auch an die politische­n Gremien weiterzutr­agen. Man dürfe aber den Status quo bei der Ortsumgehu­ng Ummeln nicht aus den Augen verlieren, die eine Angelegenh­eit des Landes NRW sei und vom Landesbetr­ieb Straßen NRW geplant werde. „Aber es ist in Ordnung, daran zu rütteln und das Ganze zu hinterfrag­en.“

 ?? ?? Dezernent Martin Adamski (Mitte) und Brackwedes Bezirksbür­germeister Jesco von Kuczkowski (3. v. l.) nehmen das Memorandum von Michael Dresbach (v. l.), Kai Schulte, Godehard Franzen, Rolf Potschies und Dirk Artschwage­r entgegen.
Dezernent Martin Adamski (Mitte) und Brackwedes Bezirksbür­germeister Jesco von Kuczkowski (3. v. l.) nehmen das Memorandum von Michael Dresbach (v. l.), Kai Schulte, Godehard Franzen, Rolf Potschies und Dirk Artschwage­r entgegen.

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