Sie fordern neue Durchfahrt statt Umgehung
Befürworter der Verkehrswende und Klimaschützer haben gemeinsam ein Memorandum verfasst, mit dem sie dafür plädieren, sofort mit dem Umbau im benachbarten Ummeln zu beginnen. Dort soll dann Tempo 30 gelten.
Die Ortsumgehung Ummeln – seit mehr als 20 Jahren wird sie geplant. Und noch ist völlig unklar, wann und ob die B61n, die auch als Zubringer zur A33 dienen soll, jemals Realität wird. Wesentliche Akteure in der Stadt Bielefeld wünschen sich, dass sie niemals gebaut wird. Ihnen wäre es lieber, dieser „falsche Planungspfad“würde sofort verlassen. Stattdessen schlagen sie vor, ein Modellprojekt für den Bielefelder Ortsteil Ummeln auf den Weg zu bringen, um einen Umbau der stark frequentierten Ortsdurchfahrt auf dem Weg zwischen Bielefeld und Gütersloh anzupacken. Ein wesentlicher Punkt: Tempo 30.
Die Vereine „Mut zur Verkehrswende“und Bielefeld pro Nahverkehr sowie Parents for Future haben vergangene Woche ein entsprechendes Memorandum an Verkehrsdezernent Martin Adamski und an den Brackweder Bezirksbürgermeister Jesco von Kuczkowski übergeben (online zu finden unter www.bielefeldpro-nahverkehr.de). Es soll einen wesentlichen Denkanstoß liefern. „Bei der desolaten Situation in Ummeln sollte man nicht länger auf die Ortsumgehung Ummeln warten“, betont Godehard Franzen.
Täglich rauschen rund mehr als 20.000 Fahrzeuge durch den Ortsteil, sowohl über die Gütersloher (B61) als auch über die Brockhagener Straße. Die Prognose geht dahin, dass es bis 2030 rund 23.500 werden. Mit einer Ortsumgehung wird eine Verdopplung des Verkehrs auf 46.700 Fahrzeuge prognostiziert.
In der Ortsdurchfahrt selbst blieben gerechnet nur 3.500 Autos übrig. Was auf den ersten Blick als positiv erscheint, würde aus Sicht der Verkehrswende-Akteure dem Ortsteil die wirtschaftliche Basis entziehen. Die Wunschvorstellung vieler, dass mit dem Bau der Ortsumgehung alles gut werde, stimme leider nicht.
„Die B61n steht im krassen Widerspruch zur Verkehrswende, zu Klima- und Artenschutz“, argumentiert Godehard Franzen. Und jeden weiteren Tag, der vergehe, werde es fragwürdiger, ob das 60-Millionen-Euro-Projekt jemals finanziert werden könne. Zumal gerade das Diätprogramm für den Bundesverkehrswegeplan verkündet worden sei und der Fokus auf den Erhalt bestehender Infrastruktur gelegt werden müsse. „Wir müssen lernen, verkehrliche und städtebauliche Probleme zu lösen, ohne neue Straßen zu bauen“, betont der Sprecher von „Mut zur Verkehrswende“.
Weil der Umbau der „tristen“ Ortsdurchfahrt Ummeln eine Herausforderung darstelle und es keinerlei Vorbilder gebe, schlagen die Aktivisten mit großer Fachkenntnis ein integriertes Modellprojekt vor – am besten mit öffentlicher Förderung und großer Bürgerbeteiligung.
Vorrangige Ziele: die Reduktion des Verkehrs auf weniger als 10.000 Kfz pro Tag, Sicherung der Nahversorgung, Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität sowie Vermeidung von Eingriffen in die Natur. Das Modellprojekt erfordere auch eine gute Kooperation zwischen Bielefeld und dem Kreis Gütersloh.
Wichtige Bausteine sind aus Sicht der Verfasser Tempo 30 (die Reduzierung funktioniere auch auf überörtlichen Straßen) sowie ein Durchfahrverbot für Lkw, was die Lärmbelastung mindere. Dazu soll der geplante Radschnellweg Gütersloh–Bielefeld–Herford integriert werden.
Der Straßenquerschnitt könnte neu gestaltet und von heute 13 auf 18 Meter verbreitert werden. Der Platz dafür sei an dieser Stelle vorhanden, die Trennwirkung der B61 könnte damit verkleinert, die Aufenthaltsqualität in Ummeln verbessert werden.
Ganz wichtig sind nach den Worten von Dirk Artschwager (Bielefeld pro Nahverkehr) Maßnahmen im Nahverkehr,
um die Pendlerströme zwischen Bielefeld und Gütersloh zu verringern. Die Reisezeit zwischen beiden Städten mit dem Zug sei unschlagbar, aber bei den Zubringern zu den Bahnhöfen sei beispielsweise noch viel Luft. Und die Taktung der Züge müsse besser werden. „Das alles macht aber keinen Sinn, wenn die Option auf die Ortsumgehung aufrechterhalten wird.“
All ihre Überlegungen möchten die Beteiligten jetzt breit streuen, um eine intensive Diskussion anzustoßen, nicht nur in Ummeln, wie Rolf Potschies (Mut zur Verkehrswende) erläutert. Am 10. September wird das Memorandum in einer Veranstaltung im Gymnasium Brackwede öffentlich vorgestellt. „Wenn wir für Ummeln etwas verbessern wollen, müssen wir jetzt loslegen“, meint Kai Schulte (Parents for Future).
Dezernent Martin Adamski würdigte die Arbeit des Netzwerks und versprach, das Memorandum auch an die politischen Gremien weiterzutragen. Man dürfe aber den Status quo bei der Ortsumgehung Ummeln nicht aus den Augen verlieren, die eine Angelegenheit des Landes NRW sei und vom Landesbetrieb Straßen NRW geplant werde. „Aber es ist in Ordnung, daran zu rütteln und das Ganze zu hinterfragen.“