24-Jähriger fährt legendären Kanzler-Benz
Raphael Nienaber hat schon als Fahranfänger sein Herz an die alten Mercedes-Schlachtschiffe verloren. Heute fährt er eine alte S-Klasse mit V8-Motor. Warum andere Autos für ihn nicht wirklich infrage kommen.
Versmold.
Wer in den 80ern einen Mercedes-Benz W126 fuhr, der hatte es geschafft – oder wollte zumindest, dass der Rest der Welt das glaubt. Firmen-Bosse schworen auf die S-Klasse. Wenn Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl in der Tagesschau aus einer Limousine ausstiegen, war es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eben so eine. Für das einfache Volk wurde die S-Klasse nicht gebaut.
Bei Neupreisen von 55.000 bis 120.000 DM war der einfache Bürger damals vermutlich auch besser beraten, stattdessen eine Eigentumswohnung zu kaufen. Raphael Nienaber ist nun aber weder Firmen-Lenker noch Bundeskanzler – sondern Fachangestellter für Bäderbetriebe im Versmolder Parkbad.
Trotzdem schwört er ebenfalls auf den Wagen, den AutoMotorSport unlängst zum „Meisterstück“des Stuttgarter Designchefs adelte. „Wenn man einmal mit diesen Mercedessen angefangen hat, will man nicht mehr anders“, beschreibt der junge Greffener seine Passion. Tatsächlich ist der W126, Baujahr 82, weder sein erster Benz, noch sein einziger. Nienaber besitzt noch eine zweite ganz ähnliche SKlasse, von der er sich nun trennen will. Denn Autos sind für ihn keine Sammlerstücke. „Autos sind zum Fahren da“, sagt er. Und das gelte genauso
– und insbesondere – für große alte S-Klassen.
Der V8, den er erst vor wenigen Tagen gekauft hat, soll seinen W126 280SE ersetzen. Auch wenn es nur zur täglichen Arbeitsstelle geht, spricht nichts gegen eine stilvolle Fortbewegung. Aber wenn es das Wetter zulässt, fährt Nienaber sowieso Fahrrad. „Der V8 hat einfach Stil. Der ist nicht prollig. Den braucht man nicht, um einen auf dicke Hose zu machen“, sagt er.
Als Fahranfänger das Herz an die alten Schlachtschiffe verloren
Vor allem das Fahrgefühl sei es, was alte Mercedesse von allen anderen Autos unterscheide. „Der Wagen verleitet total zum Cruisen. Das Radio mache ich nicht an, ich will den Motor hören. Da kann man sich schon verlieben“, sagt der Schwimmmeister.
Angefangen hat Nienabers Oldtimer-Leidenschaft schon vor der ersten Auto-Fahrstunde. „Mit 15 hatte ich eine Puch, mit 16 eine Kreidler Florett und mit 17 habe ich nach 124er Coupés gegoogelt“, erzählt der Herzens-Versmolder. „Mein erstes eigenes Auto mit 18 hat mir dann mein Vater gekauft, einen Mercedes 200D.“
Der Kenner weiß wovon die Rede ist: Der legendäre
Bauern-Benz W123 200D brachte im negativen Sinne erstaunliche 55 PS auf den Prüfstand und galt schon in den 70er Jahren als untermotorisiert, aber auch unzerstörbar und ziemlich sparsam. Bezahlbare alte Mercedesse sind seitdem Nienabers Passion: „Ich finde die alle toll!“
Überhaupt hält der 24-Jährige wenig von dem Volksglauben, dass Oldtimer ein dekadentes Hobby für alte Männer sind. Grundsätzlich sei man damit vor allem eins: günstig unterwegs. Und auch nicht umweltschädlicher als Neuwagenfahrer. „Wenn die laufen, laufen die“, bestätigt er den Mythos von der Unverwüstlichkeit alter Mercedesse.
Tatsächlich sind Fahrzeuge, die mehrere Millionen Kilometer durchhalten, durchaus nicht unüblich. „Ich bin ja auch kein Mechaniker. Einen Ölwechsel habe ich mal gemacht. Aber meine sind immer gefahren. Man muss sich nur trauen, so ein Ding zu kaufen.“
Sicher sei sein V8 mit 3,8 Litern Hubraum kein sparsames Auto. Aber der Schaden, den ein Auto an Klima und Umwelt anrichte, entstehe schließlich nicht erst auf der Straße. Schon die Produktion verschluckt immens viel Energie. Autos lange aufzufahren macht also absolut Sinn. „Es ist doch total sparsam, ein Auto 40 oder 50 Jahre lang zu fahren“, sagt Nienaber. Aber welches moderne Auto schafft das schon?