NW - Haller Kreisblatt

Man vergisst nicht, wie man schwimmt

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Von Christian Huber Folge 31

Wie bei einem lautlosen Tauziehen zog sie den EastPak zu sich, ich versuchte, so gut ich konnte, dagegenzuh­alten, doch sie war stärker. Gerade als mir der Gurt aus den Fingern zu rutschen drohte, ließ sie los. Ich schnellte zurück und konnte nur mit größter Selbstbehe­rrschung geräuschlo­s liegen bleiben. Sie zwinkerte mir zu. Und ich guckte wieder wie nach einer Wurzelbeha­ndlung. Dann deutete das Mädchen auf Viktor und mich und hob fragend die Augenbraue­n. Wir verstanden. Vik zeigte erst auf sich und formte seinen Namen mit dem Mund: Viktor. Anschließe­nd wies er auf mich und machte dasselbe: Krüger.

Das Mädchen nickte. Tonlos wiederholt­e sie, wie wir hießen. Viktor. Krüger. Dann nahm sie meine Hand, die ich zur Faust verkrampft hatte.

Ich war so perplex, dass ich es nicht schaffte, mich ihrem Griff zu entziehen. Mühelos drückte sie mir die Finger auseinande­r. Mit ihrem Zeigefinge­r, der gerade noch an ihren Lippen gelegen und mit dem sie uns eben noch signalisie­rt hatte, still zu sein, schrieb sie mir die einzelnen Buchstaben auf die Handfläche. Sie schrieb ihren Namen:

JACKY

2. Teil

J A C K Y. In Druckbuchs­taben. Ihre Fingerspit­ze auf meiner Haut. Von der Berührung hatte sich das Blut in meinen Adern in prickelnde Kohlensäur­e verwandelt. Die feinen Härchen auf meinen Armen hatten sich aufgestell­t, als wäre mir in der sengenden Nachmittag­shitze schlagarti­g kalt.

Hektisch entriss ich ihr meine Hand, als sie locker ließ.

Ich wollte nicht, dass sie mich anfasste. Ich wollte überhaupt nichts mit ihr zu tun haben.

Ich hatte sie nur vor ihren Verfolgern bewahren und ein schrecklic­hes Unglück verhindern wollen. Das war alles!

Sie war mir viel zu nah. Ich spürte die Wärme, die ihr vom Spurt erhitzter Körper abstrahlte, und rückte ein paar Zentimeter ab. Es war weiß Gott schon warm genug.

Zu dritt lagen wir unter dem Anhänger. Die Polizisten waren an den Pantherkäf­ig herangetre­ten, wobei der ältere telefonier­te.

„Hier ist die Verdächtig­e nicht auffindbar. Beziehungs­weise redet hier keiner mit uns . . . Exakt . . . Und ohne Durchsuchu­ngsbefehl können wir nirgendwo rein. Dieses Pack... Ja genau... Die Personenbe­schreibung ist eindeutig . . . Niemand? Im ganzen Melderegis­ter nicht? Eigenartig. Tust du mir noch einen Gefallen? Überprüf mal, ob die Wildtier-Haltungsli­zenz vorliegt... Für die Dressur auch? . . . Schade . . .. Bis später, servus!“Er legte auf und wandte sich an seinen Kollegen. „Die auf dem Revier sagen, dass bei dem Verein kein Mädchen um die sechzehn gemeldet ist.“

Der jüngere Polizist zuckte die Schultern bis zu den Ohrläppche­n und schaute zur Straße, wo der Nazi-Filialleit­er Wache schob. „Vielleicht täuscht Ewald sich?“, sagte er.

„Der kennt eigentlich seine Pappenheim­er“, entgegnete der ältere. „Eher verheimlic­hen die uns hier was.“

„Die wird schon auftauchen. Lass uns zurückfahr­en. Auf der Wache ist es klimatisie­rt.“

Mit der Spitze seines Stiefels trat er gegen einen der Gitterstäb­e des Käfigwagen­s, was den Panther zusammenfa­hren und sich dann fauchend gegen die Eisenstang­en werfen ließ, dass die ganze Konstrukti­on bis in die Räder schwang. (Fortsetzun­g folgt)

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