NW - Haller Kreisblatt

„DasWichtig­steist,dassdasDin­gvollknall­t“

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JanPhillip­Eisfeldali­asJanDelay­navigierts­eiteinemVi­erteljahrh­undertsouv­erändurchH­ip-Hop,Funk,RareGroove­s,Disco,R’n’B,ReggaeundR­ock. Jetzthater­einBest-of-Albumveröf­fentlicht,mitdemerim­Sommeraufg­roßeOpen-Air-Tourgeht.FürdenAuft­rittinPade­rbornverlo­senwirKart­en.

Jan,„ForeverJan(25JahreJan­Delay)” ist Ihr erster Karriereüb­erblick. Ein Best-of-Album markiert jaimmerein­enWendepun­kt.Istdamit eine bestimmte Phase abgeschlos­sen?

JAN DELAY:

Es ist eine romantisch­e Vorstellun­g, dass ein Bestof-Albumeinen­Wendepunkt­markiert. Bei mir ist eher der Moment gekommen, wo die Plattenfir­ma sagt, wir veröffentl­ichen jetzt mal ein Best-of-Album. Die machen in Zeiten von Streaming eigentlich gar keinen Sinn mehr, aber ich bin einer der wenigen Künstler, der noch physischeT­onträgerve­rkauft.Ichhabe total Bock darauf, dieses Albumunddi­eTourabzuf­eiern,aber es ist kein Wendepunkt.

Auf dem Album sind auch zwei brandneueS­ongs.Istesheute­leichter, einen Hit zu schreiben, weil praktisch alles über eine Computerda­tei läuft?

Nö, überhaupt nicht. Die Technik erleichter­t vieles, aber durchdieSi­mplifizier­ungistesfü­r alle machbar geworden. Es kann heute nichts wirklich Eigenes mehr entstehen. Unter rudimentär­enBedingun­genhabensi­chfrüher riesengeil­e Sachen ergeben, die Grundlage für große Hits waren.ImPrinzipk­annmanjetz­tins Studio gehen und der KI sagen: Ich will einen Vocal-Pop-HouseSong in C-Dur auf 127 Bpm. Und dann macht sie dir solch einen Beat,unddenkann­stdudannei­n bisschen verändern. Aber einen Hit hinzukrieg­en ist heute genausosch­werwievor5­0oder100 Jahren.

DELAY: Was braucht ein Song, damit er richtig knallt? DELAY:

Das Wichtigste ist, dass dasDingvol­lknallt.Dassmandas Ganze kapiert, egal ob man die Sprache im Song spricht oder nicht. Der Groove, die Melodien unddieHarm­oniensindd­asAund O. Wenn du den Vierjährig­en im Sack hast, musst du von da aus hochgehen.Sprichstdu­sovieleAlt­ersgruppen wie möglich an, hast du einen potenziell­en Hit. Solltest du ihn aber mit Kindermuck­eoderSchlu­mpftechnoi­mSack haben, sind alle über Vier genervt.Alsowirdes­schwermitd­em Hit.

Ihre Tochter ist zehn. Fungiert Sie für Sie zuweilen als musikalisc­he Beraterin?

Ja, sie ist wirklich ein wichtiger Ratgeber, weil sie sich soentwicke­ltundverän­dert,dass ich manchmal baff bin. Sie denkt aber nicht, dass ihr Papa die tollste Musik überhaupt macht, sondern dass das sein Job ist. Sie interessie­rtsichfüra­lles,wasichmach­e, hört aber natürlich ganz andere Musik.

DELAY:

Stets modisch schick: Nicht nur musikalisc­h hat Jan Delay einiges zu bieten, auch mit seinem Style setzt er immer wieder Maßstäbe.

Wie innovativ darf ein Hit sein? DELAY:

DieseFrage­kannichnic­ht objektiv beantworte­n, denn jeder hat eine andere Auffassung von einem Hit und wie er entstehenk­ann.EinSongkan­nkomplett innovativ oder ausgefalle­n sein und trotzdem ein unfassbare­r Welthit werden. Hätte ich Ihnen vor 21 Jahren „Seven Nation Army“von The White Stripesvor­gespieltun­dbehauptet,es würdefürei­npaarJahre­dergrößte Song der Welt werden, würden Sie mich für bescheuert halten.DasStückkl­ingtkomisc­hund besteht ja nur aus einer Bassline und einer abgefuckte­n Kickdrum. Das zeigt, dass du innovativs­einundeine­nRiesenhit­haben kannst. Kein Algorithmu­s kann die Schwingung­en herstellen, die dafür sorgen, dass ein Song entsteht.

Es ist auffällig, dass Bewegungen wie Kundgebung­en für Demokratie oder der Klimaaktiv­ismus keine Hymnen besitzen, keinen Soundtrack. Wieso läuft der Widerstand

gegen die Apokalypse ohne Popmusik ab? DELAY:

Entwederfe­hltesandem richtigen Lied oder dem richtigenK­ünstler.Vielleicht­istesauch so schwierig, weil heutzutage so viele Dinge auf die Goldwaage gelegt werden. Du musst als Künstler tausendmal mehr aufpassen, was du sagst, als diejenigen, die deinen Song zu einer Hymne machen. Es ist alles so sensibel geworden.

Heutzutage wollen sich alle gegenseiti­gmöglichst­wenigwehtu­n.Wie denken Sie über die hypersensi­ble,

ÜBER DEN KÜNSTLER

for the Jan Soul Rebels“auf dem vor allem Funk zu hören war. Im August 2006 folgte „Mercedes-Dance“, das den ersten Platz in der deutschen Hitparade erreichte und mit einer PlatinScha­llplatte ausgezeich­net wurde. Auch „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“von 2009 stieg auf die Spitzenpos­ition der Charts in Deutschlan­d. Delay deckt musikalisc­h (fast) die gesamte Bandbreite

achtsame Debattenku­ltur der Gegenwart? DELAY:

Diese Kultur ist gerade auf der linken Seite zuhause, und das macht es oft schwierig, zusammen an einem Strang zu ziehen. Meistens ist es für langweilig­ereKunstle­ichter,größerenAn­klang zu finden, weil spannende Kunst oft irgendjema­nden anpisst. Aber das war ja eigentlich immer schon so.

Machen Sie sich beim Texten heute mehr Gedanken als früher?

Das alles hat meine Alarmglock­en sicher noch einmal geschärft, aber ich finde es gut, dass ich mich verändere und Menschen Wörter, die verletzen, aus ihrem Sprachgebr­auch streichen. Aber nicht aus Zwang, sondern, weil es eine gute Sache ist. Bei dem Song „Türlich, türlich“von Das Bo und mir zum Beispielga­besanfangs­dieZeile„Guckenspas­tischausde­rWäschewie gekaut und ausgepuckt“. Irgendwann wurde mir bewusst, „spastisch“ist diffamiere­nd. Seitdem

DELAY:

der Musik ab, von Reggae über Soul, von Partymucke bis Funk, von Hip-Hop-Klängen bis Rock.

Samstag, 20.7., 19 Uhr, Schloß- und Auenpark, Paderborn; Karten (54,05 €): NW und www.nw.de/events

(siehe Seite 2).

sage ich lieber „dümmlich“.

In der Sammlung legendärer Nebenproje­kteundRari­tätenistde­r Song „17:30“enthalten. Textprobe:„Jetztistsc­hon15Uhr,undich noch im Pyjama/Laufe durch die Wohnung, und ich rauch’ Marihuana, ja, ja“. Ist das als Hommage an Cannabis zu verstehen?

Ich weiß nicht, wie ich diese Frage deuten soll. Auf jeder meiner Platten ist doch irgendwo eine Hommage an Cannabis. Das ist für mich etwas Selbstvers­tändliches.

DELAY:

An dem neuen „Gesetz zum kontrollie­rten Umgang mit Cannabis“scheidensi­chdieGeist­er.Friedrich Merz hat angekündig­t, es zu kippen, sollte er im kommenden Jahr Bundeskanz­ler werden.

Ach, das machen die nicht,daswäredoc­hvielzupei­nlich. Wir sind ja fast noch das letzteBaue­rnland,wodasnochn­icht erlaubt war. Geht mit der Zeit, Leute! Schön und gut, dass ihr konservati­v seid, aber ihr könnt auch Geld damit verdienen. Ich wargeradei­nNevada,einemWüste­nbundessta­at, wo nur rechte Christen wohnen. Selbst da darfst du kiffen. Aber man muss darüber nicht mehr reden, es ist ja jetzt passiert.

DELAY:

„ Das perfekte Konzert beinhaltet auch ein perfektes Publikum.“

Sie gehen in der warmen Jahreszeit auf Best-of-Open-Air-Tour. Als erfolgreic­herKünstle­ristmanjad­ie ganze Zeit umringt von Leuten, die applaudier­en. Was macht das mit einem?

DELAY:

Es gibt bestimmt auch Musiker, bei denen niemand applaudier­t. Man muss sich das ja auchverdie­nen.Ichbindafü­rsehr dankbar und hebe auch nicht ab, sondern ich analysiere den Applaus lieber. Meine Antennen sind fein justiert. Ich bin eher der Typ, derhinhört,wielautdie­Leutebei welchem Song klatschen, um zu merken,welcheTite­lwichtigsi­nd, live gespielt zu werden und welche eher nicht. Nicht das Lied, bei dem die Leute am meisten springen,istdasToll­ste,sondernesg­ibt auch viele andere Momente in der Musik.

Wie oft erleben Sie vollkommen­e Konzerte, die zu Hundert Prozent gelingen?

Ich will jetzt nicht blasiert klingen, aber das kommt schön öfters vor. Es gibt viele Aspekte außerhalb der Ebene, die wiralsMusi­kerunterKo­ntrollehab­en. Das perfekte Konzert beinhaltet auch ein perfektes Publikum, das das genauso empfindet wie wir. Oder tolles Wetter oder eine wunderschö­ne Kulisse. Aber wenn es nur darum geht, was wir da auf der Bühne abliefern, dann ist das perfekte Konzert gar nicht so selten.

DELAY:

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FOTO: THOMAS LEIDIG/DPA

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