Nächste Kündigungswelle bei Gerry Weber
Das traditionsreiche Haller Modeunternehmen muss seinen Sparkurs offenbar erneut verschärfen. Dem nächsten Abbau von mehr als 50 Arbeitsplätzen gehen dabei einige Signale voraus. Die Perspektive erscheint zunehmend unklar.
Halle. Der Schrumpfkurs beim Haller Modehersteller Gerry Weber setzt sich unvermindert vor. Das Management des Unternehmens hat jetzt erneut mehr als 50 Stellen abgebaut, die nach HK-Informationen je zur Hälfte in der Zentrale an der Neulehenstraße und in den Filialen angesiedeltsind.EsgabVorzeichendafür.
Denn schon im Januar war nach HK-Recherchen bekannt geworden, dass sich das um die Restrukturierung ringende Unternehmen von seiner Zentrale getrennt und sie an einen Investor verkauft hatte. Schon hier drängte sich die Frage auf, ob Gerry Weber drängenderen Kapitalbedarf haben könnte. Ende März lief zudem der Vertrag von Finanzvorstand Florian Frank aus. Er war als Sanierer zum Haller Modehersteller gekommen, der mittlerweile zwei Insolvenzverfahren hinter sich hat. Die Zusammenarbeit wurde nicht verlängert, die Geschäftsführung besteht nunmehr nur noch aus Dirk Reichert (Product und Organisation) sowie Arnd Burchardt (Vertrieb). Auch die Pressestelle hat Gerry Weber mittlerweile abgeschafft.
Gewerkschaft wird gar nicht an den Tisch geholt
Janina Hirsch ist Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall Bielefeld und in dieser Funktion zuständig für die Belegschaft von Gerry Weber. Wie sie auf Anfrage des „Haller Kreisblatts“bestätigte, wurden bei dem Haller Modehersteller zuletzt mehr als 50 Arbeitsplätze abgebaut. Nach HK-Informationen liegt die Zahl jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen in der vergangenen Woche gekündigt wurde, deutlich über 30.
Die Gewerkschaft habe laut Janina Hirsch dabei durchaus Kenntnis von dem bevorstehenden Personalabbau gehabt. In die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung sei die IG Metall allerdings nicht involviert gewesen. „Aber natürlich beraten wir in Fällen wie diesen unsere Mitglieder und tatsächlich haben sich in der vergangenen Woche viele Betroffene, die teils mehr als 20 Jahre im Unternehmen beschäftigt waren und bei denen die Enttäuschung und vor allem auch die Sorge vor der Zukunft sehr groß sind, bei mir gemeldet und um ein Gespräch gebeten.“
Menschen, die damit gerechnethätten–aberebenauch solche, die von der Kündigung kalt erwischt worden seien. „Und alle, die ich beraten habe, hatten in der Vergangenheit einen immensen Anteil geleistet, das Modeunternehmen zu stützen – immer in der Hoffnung, dass es für sie dort weitergeht. Das war tatsächlich alles umsonst.“
Grundsätzlich habe sie zu wenig Einblicke in das Unternehmen, um eine Prognose zur Zukunft der Gerry Weber International GmbH abzugeben, betont Janina Hirsch. Aber so viel: „Man fragt sich beim Blick von außen, wie viel Personalabbau ein Unternehmen verkraften kann, um sich wieder in eine Lage zu versetzen, profitabel zu wirtschaften.“
Wie viel Personalabbau kann ein Unternehmen verkraften?
In Unternehmenskreisen wird kolportiert, dass die Finanzinvestoren und Mehrheitseigentümer bei Gerry Weber – Whitebox Advisors, Robus Capital und JP Morgan Chase – eine Liquiditätslücke des Modeherstellers stopfen müssen. Und dafür im Gegenzug ein weiteres Sparpaket gefordert haben. Damit setzt sich der drastische Schrumpfkurs des einst börsennotierten Modekonzerns fort.
Zuletzt wurden seit April 2023 mehr als 120 Filialen in Deutschland dichtgemacht und 425 Voll zeit arbeitsplätze abgebaut, gut 500 Beschäftigte mussten insgesamt gehen. Auch die 90 Stores im Ausland stehen seither auf dem Prüfstand.
Einst hatte Gerry Weber weltweit 7.000 Mitarbeiter, vor vier Jahren waren es noch 3.000, davon knapp 600 am Stammsitz in Halle. Auch damals wurde wiedermal ein Stellen abbau angekündigt, den der Betriebsrats vorsitzendeLutz Bormann so kommentierte: „Wenn wir das umsetzen, können wir zwar noch laufen, haben aber einen Arm und ein Auge verloren.“Blickt man darauf, was seither mit dem Unternehmen passiert ist, stellt sich die Frage nach der Perspektive.
Bisher hieß es vom Unternehmen, dass Gerry Weber mit diesem schmerzhaften Sparkurs schlank und fit für die Zukunft gemacht worden sei. Von Managerin Angelika Schindler-Obenhaus, die diese Maßnahmen als Vorstandsvorsitzende durchsetzen musste, trennte man sich im Anschluss dennoch. Und nun offenbart sich, dass selbst der Kahlschlag der vergangenen Jahre nicht ausreichend war.
Das „Haller Kreisblatt“fragte bei Gerry-Weber-Geschäftsführer Dirk Reichert und dem Betriebsratsvorsitzenden Lutz Bormann zur Lage des Unternehmens und den Gründen für den neuerlichen Stellenabbau an. Bis Redaktionsschluss am Montagabend blieben diese Anfragen unbeantwortet.