Die dunkle Seite der Macht
Le charisme, source de succès et d’excès
Faut-il se laisser convaincre par une personne charismatique ? L’histoire a souvent démontré le contraire. Eva B. Müller, psychologue et spécialiste de la question, nous aiguille pour différencier les bons éléments des menteurs narcissiques. uss eine Charisma-Trainerin selbst charismatisch sein? Eva B. Müller lacht in der Münchner Piz- zeria laut auf und wehrt ab: „Wozu? Für mich müssen meine Seminarteilnehmer ja nicht durchs Feuer gehen. Sympathie reicht völlig aus.“Auch wenn sie es verneint: Müller strahlt dieses gewisse Etwas aus. Durch die ungeteilte Aufmerksamkeit, die sie ihrem Gegenüber schenkt, durch ihre interessierten Nachfragen, durch die Nähe, die sie selbst zur Kellnerin sofort herstellt. Und durch ihre Begeisterung für das Thema, das sie seit Jahren begleitet: Charisma.
2. FOCUS: Frau Müller, der ManagementGuru Fredmund Malik von der Uni St. Gallen hält charismatische Führer für ein Unternehmensrisiko. Hat er Recht? Eva B. Müller: Malik definiert den Charismatiker als jemanden, der sich für gottgleich hält und Anbetung erwartet. Er sieht sie durchwegs im Narzissten-Bereich. Das ist mir zu eng gefasst. Aber jeder charismatische Führer ist auch ein Verführer und kann dadurch zum Risiko werden. Charisma hat helle wie dunkle Seiten – entscheidend ist, wofür man es einsetzt.
3. FOCUS: Und wofür setzt die dunkle Seite der Macht das Charisma ein? Müller: Das Ziel eines narzisstischen Charismatikers ist persönlicher Nutzen, ist die Bewunderung durch andere, ist der eigene wirtschaftliche Vorteil, die Erhaltung seiner Macht. Kritik und Widerspruch lässt er nicht zu. Wir sehen so etwas gerade in der Türkei, wo Ministerpräsident Erdogan seine Gegner mundtot machen möchte. Aus seiner Sicht muss er das tun, um die Bewunderung seiner Anhänger und seine Macht zu erhalten. Das ist klassisches selbstzentriertes Charisma und weit von dem entfernt, was die Organisationspsychologie als positives, weil sozial orientiertes Charisma bezeichnet.
4. FOCUS: Adolf Hitler wäre das krasseste Beispiel für einen solchen Verführer. Müller: Ja, er hat die Deutschen dazu gebracht, ihm in den totalen Krieg zu folgen, den blutigsten der Weltgeschichte. 5. FOCUS: Warum erliegen Menschen diesen Anführern? Müller: Sie fürchten sich zum einen vor Sanktionen, sobald der Charismatiker Macht besitzt und über Belohnungen oder Strafen entscheiden kann. Zum anderen ist es einfacher, einer charismatischen Führungsperson zu folgen, als kritische Distanz zu wahren. Da ist ja nun jemand, der alles richten wird. Es entwickelt sich mitunter eine Art Eltern-Kind-Verhältnis. Im Bestreben, der übermächtigen Vaterfigur zu gefallen, werden Menschen manipulierbar. Je größer die emotionale Abhängigkeit, desto weiter gehen sie mit. Dass negative Charismatiker auch oft ihren Mitarbeitern wenig zutrauen und alles streng kontrollieren, verstärkt das Verhalten noch.
6. FOCUS: Auf welche Warnsignale sollte man bei einem neuen, offenbar begeisternden Chef achten? Müller: Die Augen aufhalten sollte man in nicht öffentlichen Momenten. Auf der Bühne haben sich negative Charismatiker meist exzellent im Griff. Doch ist das Scheinwerferlicht aus, bröckelt das Charisma, es werden etwa Witze auf Kosten Schwächerer gerissen. Auch Krisensitua- tionen können entlarven: Bewahrt er die Ruhe, oder wird er seinem Team gegenüber aggressiv? Sucht er Sündenböcke, bedroht er gar Mitarbeiter? Positiv charismatische Chefs leiten ihre Aggressionen in Richtung Gegner, nicht auf das eigene Team. Und: Echte Charismatiker würden nie in die eigene Tasche wirtschaften. 7. FOCUS: Charismatiker einzustellen ist offenbar ein Risiko. Warum soll eine Firma es trotzdem tun? Müller: Gerade heute brauchen Unternehmen Menschen, die sich nicht immer sklavisch an die Spielregeln halten, sondern auch querdenken. Disruptive Führung nennt man das heute. Eine Firma, die nicht stillstehen und sich zu Tode verwalten will, benötigt nicht ausschließlich, aber auch solche Manager.
„Das Ziel eines narzisstischen Charismatikers ist persönlicher Nutzen.“