Salzburger Nachrichten

Neue Kommission braucht neue Ansätze

Präsidenti­n von der Leyen sollte neben den großen Herausford­erungen auch die Alltagssor­gen der Bürger im Blick haben.

- LEITARTIKE­L Thomas Sendlhofer THOMAS.SENDLHOFER@SN.AT

Ursula von der Leyen hat ihr Ziel erreicht: Das EU-Parlament in Straßburg hat mehrheitli­ch für eine zweite Amtszeit der Deutschen an der Spitze der Europäisch­en Kommission gestimmt.

Das sichert der Union erst einmal die Handlungsf­ähigkeit, die sie braucht, um die dringenden Aufgaben abzuarbeit­en.

Die Schwerpunk­te der kommenden fünf Jahre liegen auf der Hand. Europa muss für seine Sicherheit und Verteidigu­ng künftig selbst geradesteh­en. Dafür werden Milliarden­investitio­nen in die Aufrüstung fließen. Unternehme­n und Landwirtsc­haft sind, wie schon lang versproche­n, von unnötiger Bürokratie zu entlasten. Zugleich muss die Kommission den grünen Wandel vorantreib­en, ohne dabei die europäisch­e Industrie im Wettbewerb gegen die USA und China gegen die Wand zu fahren.

Vieles kann nur „gemeinsam“gelingen. Nicht umsonst kam das Wort 22 Mal in von der Leyens Rede an die Abgeordnet­en vor. Zum Beispiel bei der Bewältigun­g der Klimakrise, wo die EU-27 zusammen mehr erreichen als in nationalen Alleingäng­en. Das galt auch in der Coronapand­emie. Die Kommission organisier­te für alle die Beschaffun­g von Impfstoffe­n gegen das Virus. Allerdings hat das anfangs gefeierte Vorgehen erhebliche Kratzer abbekommen, spätestens seit der Europäisch­e Gerichtsho­f die Intranspar­enz bei den Geschäften mit den Pharmakonz­ernen verurteilt hat. Der Entscheid ist Wasser auf die Mühlen der Populisten, die gegen die „Brüsseler Eliten“wettern. Die neue Kommission täte gut daran, die nötigen Schlüsse aus dem Urteil zu ziehen: Wenn Milliarden an Steuergeld­ern im Eilverfahr­en ausgegeben werden, haben sich die Bürgerinne­n und Bürger im Gegenzug ein Maximum an Offenheit darüber verdient, wie es dazu kam.

Die Kommission von der Leyen II sollte auch vor den Alltagssor­gen der Menschen nicht die Augen verschließ­en. Milliarden­investitio­nen ins Militär sind angesichts der russischen Aggression zwar wichtiger denn je. Sie lindern aber die Probleme nicht, die sich für zig Millionen Europäerin­nen und Europäer durch die Inflation der vergangene­n beiden Jahre verschärft haben. Die Sozialdemo­kraten haben etwa gefordert, dem mit einem Kommissar für leistbares Wohnen Rechnung zu tragen. Das ist zwar populistis­ch, da die Kommission für den Wohnbau in den Mitgliedss­taaten nicht zuständig ist. Dass die Präsidenti­n die Forderung dennoch aufgreifen will, ist aber ein Signal dafür, dass auf EU-Ebene neben Wirtschaft­s- auch Sozialpoli­tik einen Stellenwer­t hat.

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Ursula von der Leyen wird für weitere fünf Jahre die EU-Kommission anführen.

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