Das Trauma der Grünen
Im Jahr 2017 ging es ganz schnell, dass sie nach internen Konflikten aus dem Parlament flogen. Diesmal ist das Umfeld für die Grünen vor der Nationalratswahl im Herbst noch schwieriger.
Am Dienstag trat der grüne Parlamentsklub erstmals seit dem Publikwerden der Vorwürfe gegen die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling zu einer Sitzung zusammen. Im Vordergrund stand bei dem regulären Termin Inhaltliches. Sofern es Redebedarf zur Affäre Schilling gebe, werde man aber darüber reden, hatte es im Vorfeld geheißen. Den dürfte es geben. Vor allem, weil einige der anonym vorgebrachten Vorwürfe gegen Schilling – im Kern gehe es um das Verbreiten haltloser und teils existenzgefährdender Gerüchte – auch aus den grünen Reihen stammen sollen. Nach außen hin hieß es aber nach der Klubsitzung: Alle stehen geschlossen hinter Lena Schilling.
So weit ins Persönliche und Intime die Vorwürfe gegen Lena Schilling gehen, so politisch brisant und gefährlich sind sie für die Grünen insgesamt. Die Affäre rührt geradezu an einem grünen Trauma: Im Jahr 2017 flog die Partei aufgrund ähnlicher interner Streitereien aus dem Nationalrat.
Auch diesmal kommen die Vorwürfe gegen Schilling aus dem Inneren oder zumindest aus dem Umfeld der Partei. Das erklärt die Vehemenz („Gefurze“), mit der Parteichef Werner Kogler die Affäre kommentiert hat. Erste Umfragen seit Bekanntwerden der Vorwürfe verheißen
für die Grünen nichts Gutes. Es könnte bei der Nationalratswahl im Herbst also wieder um ihre politische Existenz gehen.
Wie 2017. Damals gab es sogar zwei Konfliktherde. Zum einen waren da die Jungen Grünen, die sich mit dem ihrer Meinung nach zu gemächlichen Kurs der Parteiführung unzufrieden zeigten und mit Kritik nicht sparten. Schließlich spalteten sich die Jungen Grünen von der Partei ab und gingen politisch eigene Wege – einer von ihnen war der heutige Salzburger Vizebürgermeister Kay-Michael Dankl von der KPÖ plus. Entnervt von dem Konflikt trat die grüne Parteichefin Eva
Glawischnig zurück und ging später – wohl aus Rache an der Partei – ausgerechnet zum Glücksspielkonzern Novomatic.
Der zweite Konflikt bei den Grünen im Jahr 2017 drehte sich um Peter Pilz. Als der langjährige Abgeordnete nicht den von ihm gewünschten vierten Listenplatz für die Nationalratswahl erhielt, trat er aus der Partei aus und gründete das Konkurrenzunternehmen Liste Pilz. Dorthin folgten ihm etliche Grüne, darunter die heutige Justizministerin Alma Zadić. Auch Sebastian Bohrn Mena, der jetzt bei den Vorwürfen gegen Lena Schilling eine Hauptrolle spielt, war damals bei Pilz zu finden. Bohrn Mena und seine Frau haben nun übrigens Zivilklage gegen Schilling eingebracht, wie Ö1 berichtet.
Bei der Wahl 2017 zog Pilz mit seiner Liste in den Nationalrat ein, während die Grünen aus dem Parlament flogen – ein Schock nach drei Jahrzehnten im Nationalrat. Werner Kogler, der die Partei dann durch die außerparlamentarische Notzeit führte, weiß also aus eigener Erfahrung, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, den Einzug ins Parlament zu schaffen.
Dazu kommt, dass das Umfeld für die Grünen diesmal besonders schwierig ist. Zwar gibt es keine Konkurrenz aus dem eigenen Lager wie damals die Liste Pilz, dafür jede Menge Konkurrenz von außerhalb: Die nach links gerückte SPÖ, die wiedererstarkte KPÖ und die neue Bierpartei fischen alle im selben Wählerteich wie die Grünen.
Dazu kommt ein Umstand, auf den bereits bei Bildung der türkis-grünen Regierung 2019 warnend hingewiesen wurde: In jedem der wenigen Fälle, in denen die Grünen in Europa eine Koalition mit den Konservativen eingingen, mussten sie bei den folgenden Wahlen schwere Schlappen einstecken.