Katalonien wählt den Kurswechsel
Katalanen erteilen der Unabhängigkeit eine Absage. Die Niederlage Puigdemonts ist auch eine Chance für Entspannung in Spanien.
Am Tag nach der Schicksalswahl in der Region Katalonien ging ein Aufatmen durch Spanien: Separatistenchef Carles Puigdemont und mit ihm die gesamte Unabhängigkeitsbewegung erlitten eine historische Niederlage. Damit erteilte die Mehrheit der Katalanen Puigdemonts oberstem Ziel, Katalonien von Spanien abzuspalten, eine klare Absage. Erstmals seit 40 Jahren Vorherrschaft verlor das separatistische Lager die Mehrheit im katalanischen Parlament, das in der Regionalhauptstadt Barcelona angesiedelt ist. Nur noch 43 Prozent der Bürger stimmten für die aus mehreren Parteien bestehende Unabhängigkeitsbewegung. Diese wird von Puigdemonts radikaler Separatistenpartei Junts angeführt, die knapp 22 Prozent holte und damit ihr lautstark erklärtes Ziel, die Wahl zu gewinnen, deutlich verfehlte. Damit dürfte die Gefahr des Abdriftens vorerst gebannt sein.
Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez, der sich schon länger bemüht, die Spannungen in der nordostspanischen Region abzubauen, kommentierte dies noch in der Wahlnacht mit den Worten: „Heute beginnt eine neue Etappe in Katalonien.“Sánchez’ sozialdemokratisch orientierte Sozialistische Partei (PSC) gewann mit 28 Prozent. Sie muss sich nun Partner suchen, um eine tragfähige Mehrheit zu konstruieren.
PSC-Spitzenkandidat Salvador Illa kündigte an, dass er es mit einem blockübergreifenden Regierungspakt
versuchen wolle. Mit einem Bündnis, das von den Sozialdemokraten angeführt wird und von der moderaten Unabhängigkeitspartei Esquerra um den bisherigen Regionalpräsidenten Pere Aragonès und dem Linksbündnis Sumar unterstützt wird. Dieses Bündnis hätte die absolute Mehrheit. Mit einem ähnlichen Modell regiert auch Sánchez in Madrid.
Spaniens Zeitungen waren sich ausnahmsweise einmal einig in der Bewertung dieser Wahl, in der indirekt auch über die Unabhängigkeit abgestimmt wurde. „Die Bürger haben entschieden, den Unabhängigkeitsprozess zu beerdigen“, kommentierte
Puigdemont will weiter Regierungschef werden
„El País“, das Leitmedium des Mitte-links-Spektrums. Die konservative Konkurrenz „El Mundo“schrieb: „Spanien hat gegen Puigdemont gewonnen.“Beide Zeitungen hoben hervor, dass dies ein Verdienst von Sánchez sei, der nach einem Jahrzehnt der Konfrontation zwischen Katalonien und der Zentralregierung die Hand ausgestreckt habe und versuche, die Beziehungen zwischen Barcelona und Madrid mit großzügigen Gesten zu normalisieren. „Sánchez hat mit seiner Politik der Begnadigung, der Amnestie und der Verhandlungstische die Unabhängigkeitsbewegung besiegt“, so „El Mundo“.
Doch einer sieht dies anders: Puigdemont betrachtet sich keineswegs als Verlierer. Am Montag erhob
der 61-Jährige trotz seiner Wahlniederlage Anspruch auf die Macht. „Ich sehe mich als Ministerpräsident“, sagte er im südfranzösischen Argelès-sur-Mer. Puigdemont forderte die gemäßigte Unabhängigkeitspartei Esquerra auf, nicht den Sánchez-Kandidaten Illa, sondern ihn selbst als Präsidenten an der Spitze eines Minderheitskabinetts zu unterstützen. Ähnlich jener Regierung, die er schon 2017 anführte und die Katalonien mit einer illegalen Unabhängigkeitserklärung ins Chaos stürzte. Anschließend floh Puigdemont ins Ausland, weil ihn die Justiz angeklagt hatte. Bis heute besteht ein nationaler Haftbefehl gegen ihn. Deswegen musste er seinen Wahlkampf von Frankreich aus führen. Doch auch
Puigdemont wird demnächst von Sánchez’ Versöhnungspolitik profitieren und unbehelligt nach Katalonien zurückkehren können: Eine Amnestie macht es möglich.
Besonders dankbar zeigt er sich für diese Geste aber nicht. Puigdemont setzt weiter auf Konfrontation. „Katalonien muss eine Regierung bekommen, die Madrid Paroli bieten kann.“Er fordert Sánchez auf, seiner angestrebten Rückkehr an die Macht keine Steine in den Weg zu legen. Schließlich sei ja auch die Sánchez-Regierung mit den Stimmen der katalanischen Separatistenparteien ins Amt gewählt worden. Doch diese Unterstützung, so Puigdemonts wenig verhüllte Drohung, könne man durchaus wieder zurückziehen.