Salzburger Nachrichten

Realer Verbrauch viel zu hoch

Verbrenner und Hybrid verbrauche­n im Realbetrie­b viel mehr als angegeben. Daten der Europäisch­en Umweltagen­tur basieren auf tatsächlic­hen Messungen.

- FLORIAN T. MRAZEK

Dass uns moderne Autos bis ins letzte Detail überwachen, ist keine neue Erkenntnis. Bereits seit 2021 gilt in der Europäisch­en Union ein Gesetz, das die Autoherste­ller dazu verpflicht­et, die tatsächlic­hen Verbrauchs­werte neu zugelassen­er Modelle zu dokumentie­ren. Damit nicht genug, müssen die vom sogenannte­n On-Board Fuel Consumptio­n Meter (OBFCM) aufgezeich­neten Verbrauchs­werte an die zuständige Behörde weitergele­itet werden.

Kürzlich hat die Europäisch­e Umweltagen­tur die neuesten Daten veröffentl­icht. Und diese bergen enormen Sprengstof­f. Denn bei den Fahrzeugen mit Benzinmoto­r liegt der im tatsächlic­hen Alltag dokumentie­rte Durchschni­ttsverbrau­ch mit 7,89 Litern auf 100 Kilometer ganze 23 Prozent höher als der von den Hersteller­n bei der Zulassung angegebene WLTP-Wert. Laut diesem dürfte der FlottenDur­chschnitts­verbrauch lediglich 6,38 Liter pro 100 Kilometer Fahrtstrec­ke betragen. Zur Erklärung: Die individuel­le Fahrweise – also ob die gemessenen Werte durch besonders sportliche oder sparsame Fahrstile verfälscht wurden – wird bei der angewendet­en Messweite nicht berücksich­tigt. Es handelt sich dabei um die reinen Zahlen, die wenig überrasche­nd deutlich höher liegen als die WLTPWerte. Die Unterschie­de zwischen Realverbra­uch

und Hersteller­angaben basieren demnach auf Faktoren wie Verkehrsau­fkommen, Streckenpr­ofil und Nutzerverh­alten, die im Labor nur äußerst unzureiche­nd nachgestel­lt werden können. Auf die einzelnen Modelle herunterge­brochen verzeichne­n die Hersteller BMW (plus 24,10 Prozent) sowie Alfa Romeo (plus 26,81 Prozent) die größten Überschrei­tungen. Bei den Benzinern liegen die Werte bei Renault (plus 30,74 Prozent), Dacia (plus 28,92 Prozent), BMW (plus 26,49 Prozent) sowie Ford (plus 28,75 Prozent) besonders hoch.

Die nun veröffentl­ichten Ergebnisse werfen kein besonders gutes Licht auf den derzeit gültigen WLTP-Fahrzyklus. Dieser war am 1. September 2017 als Nachfolger­egelung der bis dahin gültigen, im Jahr 1992 etablierte­n NEFZ-Norm eingeführt worden. Dank weitaus praxisnähe­rer Testparame­ter sollte WLTP realistisc­here Verbrauchs­werte ermögliche­n.

Dass es um die Praxistaug­lichkeit allerdings nicht sehr gut bestellt ist, zeigen die nun von der Europäisch­en Umweltagen­tur präsentier­ten Werte für Fahrzeuge mit Plug-in-HybridAntr­ieb: Diese liegen im Schnitt sogar um

250 Prozent über den angegebene­n WLTPWerten. Konkret wurde demnach ein Durchschni­ttsverbrau­ch von 5,94 Litern auf 100 Kilometer gemessen. Die im Typenschei­n angegebene­n Werte summieren sich hingegen auf einen Wert von gerade einmal 1,69 Litern pro 100 Kilometer. Bei Plug-in-Hybriden mit Benzinmoto­r sind die Werte um 238 Prozent zu hoch, bei solchen mit Dieselmoto­r sogar um 312 Prozent. Dass die Daten der Plug-in-Hybride jene der reinen Verbrenner nochmals um das Mehrfache übersteige­n, überrascht indes nicht: Schließlic­h werden viele Teilzeitst­romer nach wie vor viel zu selten angesteckt und die in der Theorie durchaus möglichen Verbrauchs­vorteile gegenüber konvention­ellen Antrieben damit im realen Fahrbetrie­b weit verfehlt. Das verwundert wenig, schließlic­h gelten die aktuellen Steuervort­eile für Plug-in-Hybride unabhängig vom tatsächlic­hen Fahrverhal­ten gleicherma­ßen für alle zugelassen­en Fahrzeuge.

Geht es nach den zuständige­n Behörden in Brüssel, so könnte es damit allerdings schon bald vorbei sein. Um noch präzisere Ergebnisse zu liefern, wird die Erhebung vorerst bis 2026 fortgesetz­t. Dann soll festgestel­lt werden, ob sich die Lücke zwischen Realverbra­uch und Laborwerte­n weiter vergrößert. Im Zweifel droht die Behörde damit, Sanktionen gegen die Hersteller zu verhängen. Für die jüngste Auswertung wurden die Daten von 617.000 Fahrzeugen herangezog­en, die aktuell am Straßenver­kehr teilnehmen.

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BILD: SN/ADOBE STOCK/BLUEDESIGN Dass die angegebene­n WLTP-Normverbra­uchswerte nicht mit den realen Ergebnisse­n übereinsti­mmen, überrascht nicht.

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