Realer Verbrauch viel zu hoch
Verbrenner und Hybrid verbrauchen im Realbetrieb viel mehr als angegeben. Daten der Europäischen Umweltagentur basieren auf tatsächlichen Messungen.
Dass uns moderne Autos bis ins letzte Detail überwachen, ist keine neue Erkenntnis. Bereits seit 2021 gilt in der Europäischen Union ein Gesetz, das die Autohersteller dazu verpflichtet, die tatsächlichen Verbrauchswerte neu zugelassener Modelle zu dokumentieren. Damit nicht genug, müssen die vom sogenannten On-Board Fuel Consumption Meter (OBFCM) aufgezeichneten Verbrauchswerte an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.
Kürzlich hat die Europäische Umweltagentur die neuesten Daten veröffentlicht. Und diese bergen enormen Sprengstoff. Denn bei den Fahrzeugen mit Benzinmotor liegt der im tatsächlichen Alltag dokumentierte Durchschnittsverbrauch mit 7,89 Litern auf 100 Kilometer ganze 23 Prozent höher als der von den Herstellern bei der Zulassung angegebene WLTP-Wert. Laut diesem dürfte der FlottenDurchschnittsverbrauch lediglich 6,38 Liter pro 100 Kilometer Fahrtstrecke betragen. Zur Erklärung: Die individuelle Fahrweise – also ob die gemessenen Werte durch besonders sportliche oder sparsame Fahrstile verfälscht wurden – wird bei der angewendeten Messweite nicht berücksichtigt. Es handelt sich dabei um die reinen Zahlen, die wenig überraschend deutlich höher liegen als die WLTPWerte. Die Unterschiede zwischen Realverbrauch
und Herstellerangaben basieren demnach auf Faktoren wie Verkehrsaufkommen, Streckenprofil und Nutzerverhalten, die im Labor nur äußerst unzureichend nachgestellt werden können. Auf die einzelnen Modelle heruntergebrochen verzeichnen die Hersteller BMW (plus 24,10 Prozent) sowie Alfa Romeo (plus 26,81 Prozent) die größten Überschreitungen. Bei den Benzinern liegen die Werte bei Renault (plus 30,74 Prozent), Dacia (plus 28,92 Prozent), BMW (plus 26,49 Prozent) sowie Ford (plus 28,75 Prozent) besonders hoch.
Die nun veröffentlichten Ergebnisse werfen kein besonders gutes Licht auf den derzeit gültigen WLTP-Fahrzyklus. Dieser war am 1. September 2017 als Nachfolgeregelung der bis dahin gültigen, im Jahr 1992 etablierten NEFZ-Norm eingeführt worden. Dank weitaus praxisnäherer Testparameter sollte WLTP realistischere Verbrauchswerte ermöglichen.
Dass es um die Praxistauglichkeit allerdings nicht sehr gut bestellt ist, zeigen die nun von der Europäischen Umweltagentur präsentierten Werte für Fahrzeuge mit Plug-in-HybridAntrieb: Diese liegen im Schnitt sogar um
250 Prozent über den angegebenen WLTPWerten. Konkret wurde demnach ein Durchschnittsverbrauch von 5,94 Litern auf 100 Kilometer gemessen. Die im Typenschein angegebenen Werte summieren sich hingegen auf einen Wert von gerade einmal 1,69 Litern pro 100 Kilometer. Bei Plug-in-Hybriden mit Benzinmotor sind die Werte um 238 Prozent zu hoch, bei solchen mit Dieselmotor sogar um 312 Prozent. Dass die Daten der Plug-in-Hybride jene der reinen Verbrenner nochmals um das Mehrfache übersteigen, überrascht indes nicht: Schließlich werden viele Teilzeitstromer nach wie vor viel zu selten angesteckt und die in der Theorie durchaus möglichen Verbrauchsvorteile gegenüber konventionellen Antrieben damit im realen Fahrbetrieb weit verfehlt. Das verwundert wenig, schließlich gelten die aktuellen Steuervorteile für Plug-in-Hybride unabhängig vom tatsächlichen Fahrverhalten gleichermaßen für alle zugelassenen Fahrzeuge.
Geht es nach den zuständigen Behörden in Brüssel, so könnte es damit allerdings schon bald vorbei sein. Um noch präzisere Ergebnisse zu liefern, wird die Erhebung vorerst bis 2026 fortgesetzt. Dann soll festgestellt werden, ob sich die Lücke zwischen Realverbrauch und Laborwerten weiter vergrößert. Im Zweifel droht die Behörde damit, Sanktionen gegen die Hersteller zu verhängen. Für die jüngste Auswertung wurden die Daten von 617.000 Fahrzeugen herangezogen, die aktuell am Straßenverkehr teilnehmen.