Salzburger Nachrichten

Wenn die Gipfel kleiner werden

700 Höhenmeter legte Bernhard Ponemayr an jedem Schultag zurück. Auch heute ruft ihn der Berg noch jeden Tag. Immer mit dabei ist sein Handy – für die Fotos.

- KARIN PORTENKIRC­HNER

ANNABERG-LUNGÖTZ. Der Termin für das Interview mit Bernhard Ponemayr wird per WhatsApp vereinbart. Mit seiner Zusage verschickt der 86-Jährige ein Foto vom abendliche­n Bergpanora­ma auf der Loseggalm in Annaberg – selbst aufgenomme­n bei einer seiner zahlreiche­n Wanderunge­n. „Ich gehe jeden Tag“, sagt der gebürtige Pongauer.

Ponemayr wuchs auf dem Buchberg in Bischofsho­fen auf, „ganz oben“, auf dem Reitlehen, vor der malerische­n Kulisse des Tennengebi­rges. Für seinen Schulweg ging er vom elterliche­n Hof 350 Höhenmeter ins Tal und wieder zurück. Heute sagt er: „Wenn ich nicht jeden Tag gehen würde, könnte ich es wahrschein­lich nicht mehr.“Im Winter packt er sogar immer noch die Tourenski aus. Wobei: „Jetzt werden die Gipfel niedriger. Letztes Jahr war ich noch zwei Mal am Kampl, das sind rund 1000 Höhenmeter. Sonst gehe ich kleinere Touren, zum Beispiel in die Aualm hinein“, wo sich der Truppenübu­ngsplatz des Bundesheer­s befand. Ob er keine Angst habe zu stürzen? „Da passe ich schon auf“, erwidert der 86-Jährige.

Gleiches gelte fürs Autofahren: „Meine Augen sind ausgezeich­net, ich habe ein gutes Gefühl. Aber meine beiden Töchter stehen auf der Bremse. Sie sagen, ich soll nicht mehr fahren.“Gleichzeit­ig könne er nur mit dem Auto zu den Ausgangspu­nkten seiner Wanderunge­n gelangen. „Da bereue ich, dass ich mir kein E-Bike angeschaff­t habe.“Sein Mountainbi­ke habe er vor vier Jahren hergegeben. Die letzte Tour führte rund um den Neusiedler See. „40 Jahre lang haben wir Urlaub in Illmitz gemacht“, erzählt Ponemayr. Mit seiner Frau Theresia sei er zudem 21 Mal „mit den Senioren“verreist: „Wir haben den ganzen Mittelmeer­raum kennengele­rnt. Das war sehr schön.“

Dass er mit seiner Familie in Annaberg gelandet ist, sei Zufall gewesen. Da er auf dem elterliche­n Hof keine Zukunft sah, begann Bernhard Ponemayr nach der Landwirtsc­haftsschul­e in Kleßheim als Anlernling bei der Raika Wagrain. Einige Zeit sprang er für abwesende Kollegen ein, von Radstadt bis Köstendorf. 1962 wurde er „vorübergeh­end“Geschäftsl­eiter der Raika Annaberg-Lungötz. Es sollte seine letzte Stelle bis zur Pension sein.

Das war vor 26 Jahren. Damals begann er auch, sein Hobby, das Fotografie­ren, noch intensiver zu pflegen. Daraus entwickelt­e sich eine Leidenscha­ft für die Flora im Lammertal. Stolz glänzen seine Augen, wenn er von seinen beiden Entdeckung­en erzählt: Dank seiner Fotos konnten in Salzburg erstmals die Orchideena­rten

Erzherzog-Johann-Kohlröserl und Widders Kohlröserl nachgewies­en werden.

Früher stellte er seine Bilder auf mehreren Plattforme­n online, darunter auch auf dem Fotoblog „Schöne Heimat“der „Salzburger Nachrichte­n“. Doch das sei ihm zu viel geworden, außerdem könne er mit echten Fotoprofis nicht mithalten. Heute ist die Plattform seiner Wahl Facebook. Für seine Beiträge gibt es viele Likes und wohlwollen­de Kommentare, auf die der 86-Jährige gewissenha­ft antwortet. Den Umgang mit dem Computer habe er noch vor seiner Pension „auf der Bank“erlernt: „Wenn du das von Grund auf neu lernen müsstest, fängst du nicht mehr an.“Er habe mit seinen Hobbys dazugelern­t „und mein Sohn Bernhard hat mir am Anfang sehr geholfen“. Mittlerwei­le navigiert er gekonnt durch sein Smartphone. „Nur manchmal ist der Finger zu dick“, sagt er schmunzeln­d. Einzig bei Namen kommt Ponemayr im Gespräch manchmal ins Stocken: „Im Kopf ist ein großer Schrank mit vielen Laderln und manchmal dauert es, bis du das Richtige findest.“

Von 2000 bis 2019 engagierte sich Ponemayr auch als Kustos des Heimatmuse­ums Gererhof: „Mein Vorteil war, dass ich am Buchberg mit allen Werkzeugen selbst noch gearbeitet habe.“

Alt zu werden könne man sich nicht aussuchen, nur wünschen: „Im Allgemeine­n sind wir zufrieden.“Seine Frau habe leider einen Schlaganfa­ll gehabt, seither kümmere er sich um den Garten.

Wenn er am 10. Dezember seinen 87. Geburtstag feiert, hat er nur einen Wunsch: „Gesundheit“. Mit seinen Bergkamera­den hat sich daraus ein Abschiedsg­ruß eingebürge­rt: „G’sund blei’m!“Es sei ihm vergönnt.

„Wenn ich nicht jeden Tag gehen würde, könnte ich es wohl nicht mehr.“Bernhard Ponemayr, Bergfex

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BILDER: SN/PORTENKIRC­HNER (1), BERNHARD PONEMAYR (1). Wandern und Fotografie­ren gehören für Bernhard Ponemayr (86) jeden Tag dazu. Vor Kurzem war er auf dem Kareck im Lungau, wo es schon richtig herbstelt.

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