Durch und durch überwacht
Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, blickt im Minutentakt in eine Videokamera: Egal ob ÖBB, Asfinag, Wiener Linien oder am Flughafen – der gläserne Mensch ist längst Realität.
45 Minuten dauert der Weg des SN-Redakteurs vom Wiener Büro nach Hause. Dabei wird er von zig Videokameras gefilmt und aufgezeichnet. Vorbei am Finanzministerium in der Johannesgasse trifft man in der Kärntner Straße auf Juweliere, Bekleidungs- und Parfumgeschäfte, die an der Tür großteils mit dem Schild „Achtung! Videoüberwachung“begrüßen. Von dort geht es zur U-Bahn, die von einer Sprecherin der Wiener Linien als „der sicherste und bestüberwachte Ort der Stadt“bezeichnet wird. Am Heimweg mit dem Auto schaut man in der Tiefgarage den nächsten Videokameras ins Auge. Und danach fährt man an zahlreichen Radargeräten und Rotlicht-Ampelblitzanlagen vorbei. Sollte zufällig in der Innenstadt noch eine Demonstration stattfinden, filmen die Einsatzkräfte der Polizei das Geschehen großflächig mit Body-Kameras.
Auf der einen Seite der Datenschutz, auf der anderen Seite die totale Überwachung. Die natürlich auch ein gewisses Sicherheitsgefühl vermittelt. Wie eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zeigt, statten auch immer mehr Private ihr Eigentum mit Videogeräten aus. Hauptmotiv: Schutz vor Einbrechern und Vandalen.
Bei den Wiener Linien sind die Bahnsteige und die U-Bahn-Fahrzeuge hell beleuchtet und mit 13.000 Videokameras und 2500 Notsprecheinrichtungen ausgestattet. Die Notsprechtasten, die eine Verbindung zur Leitstelle herstellen, würden durchschnittlich mehrmals pro Tag betätigt, sagt eine Sprecherin. Einer der häufigsten Gründe dafür seien Gegenstände (Kopfhörer, Handys,
Kinderspielzeug), die auf die UBahn-Gleise fallen.
In der ÖBB-Sicherheitszentrale am Wiener Westbahnhof laufen die Überwachungskameras aus ganz Österreich zusammen. Das sind immerhin 7200 Videoaugen in Bahnhöfen und Haltestellen sowie 5500 Stück in Personenzügen. Stolz verweisen die Bundesbahnen auf die gute Zusammenarbeit mit der Polizei. In den Zügen, auf den Bahnsteigen und in Bahnhofshallen seien vor allem Diebstähle und Suchtgiftdelikte das Thema, an verlassenen Haltestellen Vandalismus und Sachbeschädigungen. 2022 wurden
beispielsweise 32 Graffitisprayer erwischt. Im Vorjahr wurden 2946 Graffiti gemeldet, den ÖBB entstand ein Schaden von mehr als drei Millionen Euro. Allein am Wiener Hauptbahnhof sind rund 600 Videokameras im Einsatz, im Bundesland Salzburg ebenso viele.
Der Autobahnen- und Schnellstraßenbetreiber Asfinag berichtet von 8500 Kameras, die österreichweit das Verkehrsgeschehen überwachen. Wobei die 166 Tunnelanlagen komplett einsichtig seien, alle 100 Meter seien dort Videogeräte installiert. Im Ereignisfall (Unfall, Brand, Stau) könne man auf diese
Weise schnell reagieren und den Verkehr umleiten oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnen, erzählt Hannes Zausnig, Leiter der Asfinag-Betriebstechnik. Zudem verfügt das Unternehmen über 20 spezielle Vignettenkameras, die Fahrzeuge aufzeichnen, wenn ein Mautvergehen vorliegt. Auch an Rast- und Parkplätzen seien rund 600 Kameras installiert. 1000 Stück, ein Teil der 8500 Kameras, werden als Webcams verwendet, die das Verkehrsgeschehen live ins Internet stellen.
„Die Webcams werden vor allem im Winter sehr stark nachgefragt. Die Fahrzeuglenker nutzen die Informationen für ihre jeweilige Strecke“, erzählt Zausnig. Eine Speicherung der Daten länger als 48 Stunden erfolge nur im Ereignisfall. „Bei einem schweren Unfall wird dieser Bereich gespeichert und auch für Schulungszwecke herangezogen“, so Zausnig. Für die Polizei sei der Mehrwert gering, weil mit Ausnahme der Vignettenkameras bei allen anderen Aufnahmen aus gesetzlichen Gründen die Nummerntafeln verpixelt seien.
Der Flughafen Wien hat neben all den Körperscannern und Sicherheitsschleusen auch rund 3000 Kameras im Passagierbereich (Terminal) angebracht. Das gesamte Areal gilt wie Kraftwerke, Banken oder Spitäler als kritische Infrastruktur und unterliegt daher besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Alle Unternehmen legen Wert auf die Feststellung, dass die Bildsequenzen nur gesichert würden, wenn die Polizei das Videomaterial zur Klärung einer Straftat anfordere. Ansonsten würden alle Aufzeichnungen stets nach 48 Stunden automatisch gelöscht.