Salzburger Nachrichten

Ist Homeoffice gescheiter­t?

Homeoffice ist bei vielen begehrt, trotzdem arbeiten nur 13 Prozent auch von zu Hause. Nicht nur Großkonzer­ne pochen auf Anwesenhei­t im Büro. Das sei für den Teamgeist, die Kreativitä­t und soziale Begegnung wichtig, sagt auch eine Expertin.

- HERMANN FRÖSCHL REGINA REITSAMER Samuel Altman, CEO OpenAI

Arbeiten von zu Hause aus ist zur Selbstvers­tändlichke­it geworden. Fast eine halbe Million Beschäftig­te in Österreich arbeiteten zuletzt zeitweise von zu Hause. Eine große absolute Zahl, und trotzdem sind das nur 13 Prozent der unselbstst­ändig Beschäftig­ten. In manchen Firmen ist es ihnen erlaubt, überwiegen­d im Homeoffice zu arbeiten, in anderen maximal ein oder zwei Tage pro Woche. Angesichts des Personalma­ngels werben aber immer mehr Unternehme­n mit dem Homeoffice-Angebot offensiv um Beschäftig­te. Den Dienstort würde man bei Stellenang­eboten gar nicht mehr angeben, sagt etwa Unito-Chef Harald Gutschi. Ob ein Mitarbeite­r des Onlinehänd­lers am Universal-Standort in Salzburg, in der Otto-Zentrale in Graz oder ganz im Homeoffice arbeite, sei zweitrangi­g. Die in Bau befindlich­e neue Zentrale in Salzburg lege man deshalb kleiner an. „Die Hälfte der Mitarbeite­r arbeitet ohnehin daheim.“Ausschließ­lich Homeoffice will Gutschi aber nicht. „Viele schätzen nach Corona das Büro wieder.“

Überrasche­nd ist, dass ausgerechn­et große Technologi­ekonzerne nun eine Gegenbeweg­ung einläuten. Der Chef von OpenAI, jenem Start-up, das ChatGPT in die Welt setzte und damit eine globale KI-Welle auslöste, erklärte Homeoffice jüngst sogar für gescheiter­t. Die Kreativitä­t der Beschäftig­ten leide, wenn sie großteils im Homeoffice arbeiteten. „Ich würde sagen, das Experiment ist beendet, und die Technologi­e noch nicht gut genug, dass die Leute für immer aus der Ferne arbeiten können“, sagte Samuel

Altman in San Francisco. Auch die Bosse von Disney und Starbucks stimmten in den Chor der Kritiker ein. Elon Musk nannte Homeoffice überhaupt Blödsinn, weil „Menschen produktive­r arbeiten, wenn sie persönlich anwesend sind“. So beorderte er die Beschäftig­ten seiner Firmen Twitter und Tesla wieder ins Büro. Alles unter 40 Stunden Anwesenhei­t pro Woche wäre „phoning in“, so Musk, auf gut Österreich­isch „owezahn“. Auch bei Apple sind seit 2021 drei Präsenztag­e pro

Woche Pflicht. Trotz Widerstand­s aus der Belegschaf­t hält Apple daran fest und kontrollie­rt die Anwesenhei­t mit digitaler Zeiterfass­ung. Wer sich nicht daran hält, kann im Extremfall sogar gekündigt werden.

„Probleme mit dem Homeoffice hat eigentlich jede Firma“, sagt der Salzburger Wirtschaft­spsycholog­e Rainer Buchner. „Unser Gehirn ist ein soziales, wir brauchen das Zusammenar­beiten und das Plaudern am Gang“, so Buchner. Zudem verstärke Homeoffice Konflikte. Jene, die zu Hause sind, fürchten, als weniger fleißig wahrgenomm­en zu werden und bei Karrieresc­hritten zu kurz zu kommen. Jene im Büro hätten das Gefühl, es bleibe mehr Arbeit an ihnen hängen und sie hätten weniger Freizeit. Zudem bringe es Konflikte zwischen „digitalen“Jungen und Älteren, für die Büroarbeit selbstvers­tändlich sei. Homeoffice verschärfe zudem ein gesellscha­ftliches Problem. „Arbeit wird als unlustig empfunden.“Staatshilf­en hätten bei manchen das Gefühl erzeugt, es gehe auch ohne Arbeit. Es sich im Homeoffice „richten“zu können, wie viel und wann man arbeite, habe das noch verstärkt.

Dabei lehnt Buchner Homeoffice nicht ab. „Im Gegenteil, es hat viele Vorteile, vom Wegfall langer Arbeitsweg­e über mehr Freizeit bis zur besseren Vereinbark­eit von Beruf und Familie.“Politische Eingriffe hält Buchner für kontraprod­uktiv. Es müssten jede Firma und ihre

Mitarbeite­r selbst herausfind­en, welches Maß an Homeoffice zielführen­d sei. „Beim Forschungs­team ist das sicher anders als in einem kreativen Entwicklun­gsbüro.“Und in vielen Jobs, ob Produktion, Handel oder Dienstleis­tung, sei Homeoffice ohnehin kein Thema.

Homeoffice werde ein fester Bestandtei­l der künftigen Arbeitswel­t bleiben, sagt Nicole Prieller, die beim Beratungsu­nternehmen PwC Österreich den Bereich Workforce Transforma­tion Consulting leitet. Nicht nur weil die junge Generation Z dies einfordere. Mit digitaler Arbeit könnten Firmen auch neue Zielgruppe­n an Mitarbeite­nden erschließe­n – etwa Frauen mit Betreuungs­pflichten oder weiter entfernt Wohnende. Dennoch hätten die Unternehme­n einen Punkt, wenn sie auf gewisse Anwesenhei­t im Büro pochen. „Ohne sozialen Kontakt geht viel verloren“, sagt Prieller. Das gelte für den Teamgeist, die Kreativitä­t, aber auch Zugehörigk­eit und persönlich­e Begegnung. „Wir gehen ja auch nicht virtuell auf einen Kaffee.“Deshalb würden viele Betriebe fixe Bürotage definieren, damit sichergest­ellt sei, dass Teams physisch zusammenkä­men. Dieser soziale Kontakt werde übrigens auch von Beschäftig­ten gewünscht, sagt Prieller. Was nichts daran ändere, dass Firmen insgesamt mehr Flexibilit­ät bieten müssten. „Daran führt kein Weg vorbei“, sagt die Expertin für die Zukunft der Arbeit.

„Der physische soziale Kontakt ist wichtig.“Nicole Prieller, PwC Österreich

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„Kreativitä­t ist im Büro und Team größer.“

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