Größter Exporterfolg des deutschen Handels
ERICH REIMANN
Theo Albrecht hat den Lebensmitteleinkauf billiger gemacht und damit Milliarden verdient. Zusammen mit seinem Bruder Karl erfand der am 28. März 1922 in Essen geborene Aldi-Gründer den Lebensmitteldiskonter und lehrte Supermärkte das Fürchten. Ausgerechnet zum 100. Geburtstag des 2010 verstorbenen Unternehmers könnte der von Coronapandemie und Ukraine-Krieg ausgelöste Inflationsschub der Jahrhundertidee der Brüder neuen Schub verleihen.
„In den nächsten Jahren wird der Preis beim Einkauf wieder eine viel größere Bedeutung haben“, sagt Handelsexperte Frank Küver vom Marktforschungsunternehmen NielsenIQ. Das dürfte nach seiner Einschätzung dazu führen, dass die Diskonter nach Jahren mit eher durchwachsenen Ergebnissen wieder Marktanteile gewinnen.
Als Karl und Theo Albrecht nach dem Zweiten Weltkrieg in Essen das elterliche Lebensmittelgeschäft übernahmen und Aldi (Albrecht Diskont) erfanden, brachen sie mit vielen damals im Lebensmittelhandel üblichen Konventionen. In den Aldi-Läden ging es spartanisch zu: Die Auswahl war klein und präsentiert wurde die Ware schmucklos in Kartons auf Paletten gestapelt unter kaltem Neonlicht. Markenartikel suchte man vergebens. „Auf den ersten Blick wirkt die Idee – die Konzentration auf den Preis und auf möglichst effektive Abläufe – vielleicht nicht sonderlich spektakulär, aber in Verbindung mit dem Willen, das eigene Modell immer weiter zu verbessern, ist daraus etwas ganz Großes entstanden: ein ganz neues Ladenkonzept, das weltweit funktioniert“, sagt Küver.
Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sicherten sich Aldi (in Österreich Hofer), Lidl, Penny und Co. mit dem von den Albrechts erfundenen und immer weiter verfeinerten Diskontmodell einen Großteil des Markts. Nach aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmens GfK kamen die Diskonter im vergangenen Jahr auf einen Marktanteil von fast 35 Prozent. Auf Supermärkte entfielen knapp 30 Prozent des Geschäfts, auf SB-Warenhäuser zwölf Prozent und auf den
Fachhandel 15 Prozent der Umsätze. Den Rest teilten sich Drogeriemärkte und Onlineanbieter.
Und auch weltweit konnten die Billiganbieter mit ihrem Konzept punkten. „Das Diskontmodell ist der größte Exporterfolg des deutschen Handels“, sagt Küver. Der Lidl-Mutterkonzern, die SchwarzGruppe, ist dank der weltweiten Expansion seiner Diskonttochter nach einer aktuellen Marktuntersuchung des Beratungsunternehmens Deloitte zum viertgrößten Einzelhändler der Welt aufgestiegen. Aldi folgt auf Rang acht.
Die Aldi-Brüder wurden mit ihrer Billigstrategie zu Milliardären. Im Jahr 1961 teilten sie ihr Billigimperium auf. Theo Albrecht bekam Aldi Nord, Karl Albrecht Aldi Süd. Das
„Manager Magazin“schätzte im vergangenen Jahr allein das Vermögen der Erben von Theo Albrecht auf rund 17,4 Mrd. Euro.
Die Coronapandemie erwies sich zuletzt als Herausforderung für die Diskonter. „Die Kunden wollten aus Angst vor einer Ansteckung möglichst alles in einem Laden einkaufen – und der Preis war dabei nicht mehr so wichtig“, beschreibt Küver die Entwicklung. Dadurch verloren die Billiganbieter in den beiden Coronajahren spürbar Marktanteile an die Supermärkte mit ihrem viel größeren Angebot.
Doch die nächsten Jahre mit den Auswirkungen von Pandemie und Ukraine-Krieg könnten ein „Wachstums-Comeback der Diskonter“bringen.