Auf Du und Du mit Putin
Österreich pflegt enge Beziehungen zum Reich des russischen Despoten. Zu enge?
WIEN. Es sind Bilder, die haften bleiben: die damalige Außenministerin Karin Kneissl, tief knicksend vor ihrem Ehrengast, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Oder: der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf einem Sessellift im trauten Gespräch mit Putin. Oder: der damalige Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl und der damalige Bundespräsident Heinz Fischer auf einem Wirtschaftspodium in Wien, schallend lachend über eine Bemerkung ihres Gastes Putin, der Leitls lange Amtszeit kokett als „gute Diktatur“bezeichnet hatte.
Und auch abseits der Kameras ist der russische Despot ein wohlgelittener Gesprächspartner und Geschäftsfreund. Österreichische ExPolitiker bevölkern russische Aufsichtsräte, österreichische Kulturschaffende halten den Dialog mit Russland und seiner Regierung aufrecht. Österreich, ein Land der Putin-Versteher?
Die beiden ungleichen Länder verbänden „traditionell enge Beziehungen“, konstatiert Emil Brix, derzeit Leiter der Diplomatischen Akademie Wien und zuvor langjähriger österreichischer Botschafter in Moskau. Das liege nicht nur an der Geschichte: „Wir haben wirtschaftlich eine größere Abhängigkeit von Russland als viele andere europäische Staaten. Das betrifft vor allem den Energiesektor“, sagt der Diplomat und Russland-Experte. Dass die Regierung die Sanktionen gegen Russland mittrage, sei aber „vernünftig“. Von der Idee, dass Österreich eine neutrale Position in dem Konflikt einnimmt, hält der Ex-Botschafter wenig. Zwischenrufe ehemaliger Spitzenpolitiker, die – ähnlich wie in Deutschland der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder – Russland öffentlich verteidigen, hält Brix für entbehrlich. Ebenso entbehrlich findet der Diplomat die wirtschaftlichen Verbindungen ehemaliger Spitzenpolitiker zu Russland. „Es gibt auch in Österreich und Frankreich die ,Schröderisierung‘ – und es ist nicht unproblematisch, dass ehemalige österreichische Kanzler in russischen Konzernen tätig sind. Auch das schwächt die außenpolitische Situation unseres Landes derzeit.“
Die 2014 erfolgte Annexion der Krim durch Russland störte die bilateralen Beziehungen nicht nachhaltig. Im Mai 2019, wenige Tage bevor das Ibiza-Video wie eine Bombe einschlug, begaben sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ein ganzes Flugzeug voller österreichischer Politiker, Wirtschaftstreibender, Kulturschaffender und Journalisten an die Schwarzmeerküste, um Putin in dessen Sommerresidenz in Sotschi zu besuchen. „Österreich setzt auf den Dialog mit dem schwierigen Partner Russland. Und Bundespräsident Alexander Van der Bellen überraschte den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin mit einer Einladung zu den Salzburger Festspielen“, berichteten die SN, die sich in der Delegation befanden, am 16. Mai.
Wichtigster Punkt der Reise waren freilich nicht die Festspiele. Vielmehr ging es darum, den Sotschi-Dialog
Ex-Politpromis heuerten in Russland an
aufrechtzuerhalten. Dieser war wenige Monate zuvor mit dem ausdrücklichen Ziel ins Leben gerufen worden, trotz der gegen Russland bestehenden EUSanktionen Kontakte zwischen Österreich und Russland zu pflegen. Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museums, war extra nach Sotschi mitgereist, um fünf Grabreliefs und drei Amphoren, die von Rechts wegen Russland gehörten, rückzuerstatten. Mit von der Partie waren auch die damalige Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Alt-LH Franz Schausberger, die beide dem „steering committee“des Sotschi-Dialogs angehörten. Die damalige Außenministerin Karin Kneissl, auch sie eine große PutinVersteherin, unterzeichnete mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow eine Erklärung über gemeinsame kulturelle Projekte.
In der Frage der EU-Sanktionen zeigte sich der Bundespräsident zumindest in einem Punkt einig mit Putin: „Als Ökonom kann ich Ihnen nur zustimmen, Sanktionen schaden beiden Seiten“, sagte er. Österreich werde die EU-Sanktionen aber selbstverständlich mittragen, fügte Van der Bellen hinzu.
Das Sonderverhältnis zwischen Russland und Österreich kennt keine Parteifarben: Zwei Ex-Kanzler, Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Christian Kern (SPÖ), sowie Ex-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sitzen in den Aufsichtsräten russischer Großkonzerne. Seit vier Jahren arbeitet Wolfgang Schüssel für den Mineralölriesen Lukoil, auch in den Aufsichtsrat eines russischen Telekomriesen wurde der schwarze Ex-Kanzler einst berufen.
Christian Kern sitzt im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahnen. Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) wurde laut Medienberichten ins „Supervisory Board“eines kremlnahen Thinktanks berufen.
Im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft trifft Kneissl übrigens auf Deutschlands ExKanzler Gerhard Schröder, der dort Aufsichtsratschef ist. Die Beziehung Kneissls zum russischen Präsidenten sorgte im Sommer 2018 für Aufsehen. Die damalige Ministerin hatte Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen, dieser kam tatsächlich, Resultat des hohen Besuchs war das Bild mit dem tiefen Knicks Kneissls.
Knickt Österreich auch jetzt ein, wenn es um Maßnahmen gegen Russland geht? Erst vor wenigen Tagen musste sich Außenminister Alexander Schallenberg zur Wehr setzen gegen europäische Medienberichte, wonach sich Österreich und Ungarn „bei Gesprächen hinter verschlossenen Türen am wenigsten bereit zeigten, Handelsbeziehungen mit Russland zu begrenzen“. Alles nicht wahr, Österreich arbeite „innerhalb der EU an einem umfassenden und massiven Sanktionspaket für den Fall einer militärischen Aggression“, beeilte sich das Außenministerium zu versichern.
Nach wie vor bestehen die österreichischen Importe aus Russland großteils aus Energieträgern, gefolgt von Metallen. Der größte Teil der Exporte aus Österreich betrifft den Maschinen- und Anlagenbau. Derzeit sind in Russland rund 500 österreichische Unternehmen tätig.