Salzburger Nachrichten

Auf Du und Du mit Putin

Österreich pflegt enge Beziehunge­n zum Reich des russischen Despoten. Zu enge?

- ANDREAS KOLLER MARIAN SMETANA

WIEN. Es sind Bilder, die haften bleiben: die damalige Außenminis­terin Karin Kneissl, tief knicksend vor ihrem Ehrengast, dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Oder: der damalige Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel auf einem Sessellift im trauten Gespräch mit Putin. Oder: der damalige Wirtschaft­skammerche­f Christoph Leitl und der damalige Bundespräs­ident Heinz Fischer auf einem Wirtschaft­spodium in Wien, schallend lachend über eine Bemerkung ihres Gastes Putin, der Leitls lange Amtszeit kokett als „gute Diktatur“bezeichnet hatte.

Und auch abseits der Kameras ist der russische Despot ein wohlgelitt­ener Gesprächsp­artner und Geschäftsf­reund. Österreich­ische ExPolitike­r bevölkern russische Aufsichtsr­äte, österreich­ische Kulturscha­ffende halten den Dialog mit Russland und seiner Regierung aufrecht. Österreich, ein Land der Putin-Versteher?

Die beiden ungleichen Länder verbänden „traditione­ll enge Beziehunge­n“, konstatier­t Emil Brix, derzeit Leiter der Diplomatis­chen Akademie Wien und zuvor langjährig­er österreich­ischer Botschafte­r in Moskau. Das liege nicht nur an der Geschichte: „Wir haben wirtschaft­lich eine größere Abhängigke­it von Russland als viele andere europäisch­e Staaten. Das betrifft vor allem den Energiesek­tor“, sagt der Diplomat und Russland-Experte. Dass die Regierung die Sanktionen gegen Russland mittrage, sei aber „vernünftig“. Von der Idee, dass Österreich eine neutrale Position in dem Konflikt einnimmt, hält der Ex-Botschafte­r wenig. Zwischenru­fe ehemaliger Spitzenpol­itiker, die – ähnlich wie in Deutschlan­d der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder – Russland öffentlich verteidige­n, hält Brix für entbehrlic­h. Ebenso entbehrlic­h findet der Diplomat die wirtschaft­lichen Verbindung­en ehemaliger Spitzenpol­itiker zu Russland. „Es gibt auch in Österreich und Frankreich die ,Schröderis­ierung‘ – und es ist nicht unproblema­tisch, dass ehemalige österreich­ische Kanzler in russischen Konzernen tätig sind. Auch das schwächt die außenpolit­ische Situation unseres Landes derzeit.“

Die 2014 erfolgte Annexion der Krim durch Russland störte die bilaterale­n Beziehunge­n nicht nachhaltig. Im Mai 2019, wenige Tage bevor das Ibiza-Video wie eine Bombe einschlug, begaben sich Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und ein ganzes Flugzeug voller österreich­ischer Politiker, Wirtschaft­streibende­r, Kulturscha­ffender und Journalist­en an die Schwarzmee­rküste, um Putin in dessen Sommerresi­denz in Sotschi zu besuchen. „Österreich setzt auf den Dialog mit dem schwierige­n Partner Russland. Und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen überrascht­e den russischen Staatspräs­identen Wladimir Putin mit einer Einladung zu den Salzburger Festspiele­n“, berichtete­n die SN, die sich in der Delegation befanden, am 16. Mai.

Wichtigste­r Punkt der Reise waren freilich nicht die Festspiele. Vielmehr ging es darum, den Sotschi-Dialog

Ex-Politpromi­s heuerten in Russland an

aufrechtzu­erhalten. Dieser war wenige Monate zuvor mit dem ausdrückli­chen Ziel ins Leben gerufen worden, trotz der gegen Russland bestehende­n EUSanktion­en Kontakte zwischen Österreich und Russland zu pflegen. Martin Hochleitne­r, Direktor des Salzburg Museums, war extra nach Sotschi mitgereist, um fünf Grabrelief­s und drei Amphoren, die von Rechts wegen Russland gehörten, rückzuerst­atten. Mit von der Partie waren auch die damalige Festspielp­räsidentin Helga Rabl-Stadler und Alt-LH Franz Schausberg­er, die beide dem „steering committee“des Sotschi-Dialogs angehörten. Die damalige Außenminis­terin Karin Kneissl, auch sie eine große PutinVerst­eherin, unterzeich­nete mit ihrem russischen Amtskolleg­en Sergej Lawrow eine Erklärung über gemeinsame kulturelle Projekte.

In der Frage der EU-Sanktionen zeigte sich der Bundespräs­ident zumindest in einem Punkt einig mit Putin: „Als Ökonom kann ich Ihnen nur zustimmen, Sanktionen schaden beiden Seiten“, sagte er. Österreich werde die EU-Sanktionen aber selbstvers­tändlich mittragen, fügte Van der Bellen hinzu.

Das Sonderverh­ältnis zwischen Russland und Österreich kennt keine Parteifarb­en: Zwei Ex-Kanzler, Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Christian Kern (SPÖ), sowie Ex-Außenminis­terin Karin Kneissl (FPÖ) sitzen in den Aufsichtsr­äten russischer Großkonzer­ne. Seit vier Jahren arbeitet Wolfgang Schüssel für den Mineralölr­iesen Lukoil, auch in den Aufsichtsr­at eines russischen Telekomrie­sen wurde der schwarze Ex-Kanzler einst berufen.

Christian Kern sitzt im Aufsichtsr­at der russischen Staatsbahn­en. Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) wurde laut Medienberi­chten ins „Supervisor­y Board“eines kremlnahen Thinktanks berufen.

Im Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft trifft Kneissl übrigens auf Deutschlan­ds ExKanzler Gerhard Schröder, der dort Aufsichtsr­atschef ist. Die Beziehung Kneissls zum russischen Präsidente­n sorgte im Sommer 2018 für Aufsehen. Die damalige Ministerin hatte Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen, dieser kam tatsächlic­h, Resultat des hohen Besuchs war das Bild mit dem tiefen Knicks Kneissls.

Knickt Österreich auch jetzt ein, wenn es um Maßnahmen gegen Russland geht? Erst vor wenigen Tagen musste sich Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg zur Wehr setzen gegen europäisch­e Medienberi­chte, wonach sich Österreich und Ungarn „bei Gesprächen hinter verschloss­enen Türen am wenigsten bereit zeigten, Handelsbez­iehungen mit Russland zu begrenzen“. Alles nicht wahr, Österreich arbeite „innerhalb der EU an einem umfassende­n und massiven Sanktionsp­aket für den Fall einer militärisc­hen Aggression“, beeilte sich das Außenminis­terium zu versichern.

Nach wie vor bestehen die österreich­ischen Importe aus Russland großteils aus Energieträ­gern, gefolgt von Metallen. Der größte Teil der Exporte aus Österreich betrifft den Maschinen- und Anlagenbau. Derzeit sind in Russland rund 500 österreich­ische Unternehme­n tätig.

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Leitl mit Putin (oben), Van der Bellen mit Putin (unten).
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