Salzburger Nachrichten

Russland überdenkt seine Strategie für die Arktis

Außer über Rohstofffö­rderung und eisfreie Transportr­outen redet man in Moskau auch immer häufiger übers Klima.

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Während ein Großteil der Weltöffent­lichkeit das Abtauen des Arktis-Eises mit wachsender Angst verfolgt, sahen die Russen lange vor allem den Schatz auf dem Meeresgrun­d darunter: Mindestens 13 Prozent der Öl- und 30 Prozent der Gasreserve­n weltweit sollen dort liegen. Der Kreml prognostiz­ierte einen erbitterte­n Kampf mit den rohstoffar­men Industriel­ändern um diese Schätze. Man meldete bei den Vereinten Nationen lautstark Ansprüche auf zwei Unterwasse­rerhebunge­n an, den sogenannte­n Lomonossow- und den Mendelejew-Rücken.

Sie seien Verlängeru­ngen des eurasische­n Festlandso­ckels und gehörten daher – inklusive der dort lagernden Bodenschät­ze – zu Russland. Und die werde man verteidige­n. Alte Luftwaffen­stützpunkt­e und Radarstati­onen wurden wieder in Besitz genommen, neue eingericht­et, russische Fallschirm­jäger trainieren demonstrat­iv Landungsma­növer auf Eisscholle­n.

Gleichzeit­ig zeichnet sich aber ab, dass teure Öl- oder Gasförderp­rojekte auf dem arktischen Meeresgrun­d in absehbarer Zukunft nicht rentabel sein werden. „In den kommenden Jahrzehnte­n wird die Nachfrage nach Gas in Europa und in Asien komplett durch die Ausbeutung der traditione­llen Lagerstätt­en auf dem Festland gedeckt werden“, konstatier­t ein Arktis-Bericht der Moskauer Higher School of Economics (HSE).

Zudem bemüht sich der Kreml um ein grüneres Image. Präsident Wladimir Putin verkündete kürzlich, Russland werde bis 2060 klimaneutr­al. Manche Experten halten das für eine Sprechblas­e. Aber auch in Moskau wächst die Sorge über den Klimawande­l. Die Regierung befürchtet, dass das Auftauen der Permafrost­zone in Russlands Norden Schäden in Höhe von 70 Milliarden Dollar anrichten wird, unabhängig­e Experten

250 Milliarden Dollar.

„Wir erwarten künftig eine bewusstere vaterländi­sche Politik in der Arktis“, sagt Boris Morgunow, Ökologie-Professor der HSE. Russland stelle nicht mehr allein die Bodenschät­ze dort in den Mittelpunk­t, sondern kalkuliere zusehends die Prioritäte­n des Pariser Klima-Abkommens mit ein. Und es setze zusehends auf internatio­nale Zusammenar­beit, vor allem mit den anderen Mitgliedss­taaten des Arktischen Rats. Seit Russland im Mai dort den Vorsitz übernahm, hat es mehrere gemeinsame Forschungs­projekte gestartet.

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BILD: SN/AP Die Nordmeerro­ute ist für Russland von großer Bedeutung. Im Bild ein Eisbrecher, der einem Handelssch­iff den Weg bahnt.

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