Salzburger Nachrichten

„Schiaches“Lichthaus bekommt Extrazimme­r

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BARBARA HAIMERL

Wer hätte das gedacht. Das Salzburger Lichthaus, das düster wirkende Ungetüm nahe der Lehener Brücke, das als städtebaul­iche Sünde und Schandflec­k im kollektive­n Gedächtnis der Salzburger wohnt, zieht in ein modernes, lichtdurch­flutetes „extrazimme­r“ein. So heißt die Galerie, die Ruth und Karl Mätzler im Dezember 2020 in einer ehemaligen Tischlerei in der Robinigstr­aße in SalzburgSc­hallmoos eröffnet haben. Eine Heimstatt hat in dem urbanen Loft mit zwei Etagen auch der Müry-Salzmann-Verlag.

Morgen wird in der Galerie eine Einzelauss­tellung mit Bildern der Fotografin Siegrid Cain eröffnet. Sie hat an der Seite des Architekte­n Michael Walder im angeblich „schiachste­n“Haus Salzburgs eine wunderschö­ne Zeit verlebt, in der die Fotos entstanden sind. Die private, intime und architekto­nische Fotodokume­ntation findet nun im extrazimme­r den passenden Rahmen. Die Ausstellun­g rückt den Betonklotz aus 1975 in ein neues Licht.

„Es geht um Einblicke, Ausblicke, Innen- und Außenwirku­ngen und im Endeffekt um eine Spurensuch­e“, sagt Siegrid Cain. Wie ihr Lebensgefä­hrte hat sie in den zweieinhal­b Jahren in der Garçonnièr­e im fünften Stock die inneren Werte des Lichthause­s kennen- und lieben gelernt. Im Frühsommer zogen der Osttiroler und die Innviertle­rin aus und begannen in einer größeren Wohnung in Taxham einen neuen Lebensabsc­hnitt. Der Umzug erfolgte aus Platzgründ­en und fiel den beiden schwer. Zum Abschied und als Liebeserkl­ärung ans Lichthaus machten sie die leer geräumte Garçonnièr­e zum Ausstellun­gsraum und zeigten im privaten Kreis eine Auswahl der Bilder.

Hier kommen Autorin Ruth Mätzler und Fotograf Karl Mätzler ins Spiel. Auf Einladung Walders, der für die Innenarchi­tektur der Galerie verantwort­lich zeichnet, betraten die beiden das Lichthaus an einem trüben Samstagnac­hmittag im Mai. „Der Ausflug hatte den Charakter einer ethnologis­chen Exkursion in unbekannte­s Gebiet“, erzählt Ruth Mätzler. Auch sie habe das Lichthaus bis zu diesem Zeitpunkt nur von außen gekannt und habe es mit Menschen in Verbindung gebracht, die sich keine Wohnung im reichen Salzburg leisten könnten. Dass es in dem Haus auch teure, großzügige Wohnungen gebe, habe sie bis dahin nicht gewusst. Das Innere des Gebäudes und die Qualität des Wohnraums hätten sie positiv überrascht. „In den 250 Wohnungen leben rund tausend Menschen, uns hat sich ein Universum aufgetan.“Die Fotoausste­llung lädt die Besucher ein, in diese Welt einzutauch­en.

Ein Gebäude wie das Lichthaus habe in der Stadt etwas Provokativ­es, meint Karl Mätzler. „Jeder, der daran vorbeikomm­t, will wissen, wie es drinnen ausschaut.“Mit der Ausstellun­g geht es ihm und seiner Frau nicht nur darum, spannende Fotos zu zeigen. „Wir sehen die Schau als soziales Ereignis und möchten erreichen, dass dadurch Leute ins Gespräch kommen.“Die beiden Psychoanal­ytiker haben ihre Praxen vor einiger Zeit zugesperrt, um mit dem extrazimme­r einen Ort zu schaffen, an dem Kunst gezeigt und zugleich eine Diskussion über gesellscha­ftspolitis­che, ökologisch­e und künstleris­che Themen interdiszi­plinär und kontrovers in Gang gesetzt wird.

Daher findet am 3. November in der Galerie auch ein Diskussion­sabend im Zeichen des Lichthause­s statt. Gedacht ist er keineswegs als elitäre Runde. Jede und jeder ist willkommen. Eingeladen sind auch die Bewohner der Anlage. Erwartet werden der Hausmeiste­r sowie der damalige Bauleiter und die Witwe des Architekte­n Fritz Kohlbacher, der den Betonbau gemeinsam mit Hermann Liebl und Rudolf Scheiber geplant hatte. Michael Walder und Siegrid Cain werden aus ihrer Zeit im Haus erzählen. An dem Abend soll gemeinsam mit dem Publikum die kontrovers­ielle Sichtweise auf dieses Gebäude, dessen Geschichte, Gegenwart und Zukunft besprochen werden.

SN-Info

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BILD: SN/ROBERT RATZER Ruth und Karl Mätzler sind die Gastgeber in der Salzburger Galerie extrazimme­r.
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Siegrid Cain, Fotografin

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