Salzburger Nachrichten

Warum U-Boote so hohe Wellen schlagen

Australien legt sich fest: Es steht in der Auseinande­rsetzung mit China fest auf der Seite der USA. Aber warum ist deswegen Frankreich so fuchsteufe­lswild?

- MARTIN.STRICKER@SN.AT

Der Indopazifi­k macht Karriere. Der Ausdruck ist noch nicht lang im Vokabular des außenpolit­ischen Establishm­ents, beherrscht aber zunehmend die Debatte.

Indopazifi­k – das ist die riesige Meeresregi­on zwischen Ostafrika und Ozeanien. China beanspruch­t mit dem Südchinesi­schen Meer einen zentralen Teil davon für sich allein, und das gegen internatio­nales Seerecht. Peking verwandelt vorgelager­te Inselkette­n in Festungen, baut Landepiste­n und Militärhäf­en, geht immer aggressive­r vor.

Durch das Südchinesi­sche Meer führen die großen Schifffahr­tsrouten der Welt, unverzicht­bar für Handel und Wirtschaft.

Indopazifi­k, das ist für die USA die Bezeichnun­g der Konfliktre­gion mit der aufstreben­den Macht China. Amerika grenzt daran. Wer in Kalifornie­n in See sticht, landet in Japan. Tokio ist ein enger Verbündete­r. Auch Südkorea zählt dazu, und natürlich Taiwan. Die US-Navy ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region stationier­t und stärkster Spieler im Ring – noch. Nun soll ein neues strategisc­hes Bündnis der Aufrüstung Chinas Paroli bieten. Im Zentrum steht der Pazifiksta­at Australien, der seine Wahl getroffen hat: Er schloss mit den USA und Großbritan­nien eine Rüstungsal­lianz, deren Herz vorerst acht nuklear betriebene U-Boote sind. Sie sollen in Adelaide gebaut werden. Es ist ein gewaltiger Deal über Jahrzehnte hinaus. Erstmals werden die USA atomare Hochtechno­logie mit jemandem anderen als Großbritan­nien teilen. Australien schließt zum elitären Club der wenigen Staaten auf, die Atom-U-Boote betreiben – und Chinas Vormachtst­reben im Indopazifi­k erleidet einen schmerzhaf­ten Dämpfer.

Australien benötigt keine Atom-U-Boote zur Selbstvert­eidigung. Diese lautlosen Kriegsschi­ffe haben nur Sinn, wenn ihr riesiger Aktionsrad­ius genutzt wird. Sie können die chinesisch­e Marine Tausende Kilometer entfernt an den eigenen Küsten bedrohen und von allfällige­n Blockaden im Südchinesi­schen Meer abschrecke­n. Sie können im Kriegsfall entscheide­nd sein. US-Präsident Joe Biden wurde deutlich: Das Bündnis solle den „sich rasch entwickeln­den Bedrohunge­n“im Indopazifi­k begegnen. „Hier geht es um unsere größte Stärke, in unsere Allianzen zu investiere­n.“

Was die besorgten Partner der einen Allianz beruhigen wird, sorgt bei einer anderen Allianz, der mit Europa, für Scherben. Diese Fernwirkun­g wurde von Bidens Truppe offenbar unterschät­zt. Zu groß war der Fokus auf den Indopazifi­k, die neue Bühne der Weltpoliti­k, zu gering auf Europa. Denn Australien hatte bereits einen Deal zum Bau von U-Booten. Es sollten auf eigenen Wunsch keine atomaren sein, sondern konvention­ell mit Diesel betriebene. 2016 unterzeich­neten Australien und Frankreich einen Vertrag zum Bau von zwölf U-Booten im Wert von 56 Milliarden Euro. Vor wenigen Wochen erst wurde die langfristi­ge militärisc­he Zusammenar­beit feierlich betont – und plötzlich findet sich Paris ausgeboote­t.

Ohne Ankündigun­g, wie es betonte, ohne Konsultati­onen, weder von den USA noch von Australien.

Der Deal mit Australien hätte Frankreich­s Präsenz im Indopazifi­k und seine Rolle zementiere­n sollen. Mehr als 1,6 Millionen französisc­he Bürger leben in der Region. Von La Réunion im Indischen Ozean bis Französisc­hPolynesie­n mit Tahiti reichen französisc­he Besitzunge­n. Rund 8000 Soldaten sind stationier­t und Dutzend Kriegsschi­ffe, darunter atomare U-Boote.

Frankreich ist in seinem Stolz zutiefst verletzt und brüskiert. Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian, ansonsten ein bedächtige­r Politveter­an, warf den USA und Australien „Doppelzüng­igkeit“und „Lüge“vor, schweren Vertrauens­bruch und „Missachtun­g“. Präsident Emmanuel Macron ließ die Botschafte­r in Washington und Canberra zu Konsultati­onen zurückhole­n.

Für die britische Regierung von Boris Johnson gab es nur Verachtung. Man kenne den Opportunis­mus in London, sagte Le Drian, zudem spiele Johnson sowieso nur das fünfte Rad am Wagen.

US-Präsident Joe Biden hat um ein Telefonat mit dem wütenden Macron ersucht, um die Wogen zu glätten. Der sieht den neuen Alleingang als nächste Bestätigun­g der Unzuverläs­sigkeit des NATO-Partners Amerika. Dessen rücksichts­loses Vorgehen lasse die „strategisc­he Autonomie“Europas, soll heißen: größere militärisc­he Unabhängig­keit von den USA, drängender denn je erscheinen.

Das Thema wird Brüssel 2022 massiv beschäftig­en: Am 1. Jänner übernimmt Frankreich die EU-Präsidents­chaft.

Fragen könnte man natürlich auch, ob die fernöstlic­hen nuklearen U-Boot-Strategien – die ersten Schiffe sollen 2040 in Dienst gehen – tatsächlic­h sind, was die Menschheit benötigt. Oder ob es nicht klüger wäre, würden USIndopazi­fiker und Europäer ihr Geld und ihre Intelligen­z darin investiere­n, China und Australien von der Abkehr von der Kohle zu überzeugen, so lange noch Zeit ist.

Aber das ist, wie gesagt, eine andere Frage.

 ?? BILD: SN/US NAVI ?? „USS John Warner“, ein atomares Angriffs-U-Boot der USA.
BILD: SN/US NAVI „USS John Warner“, ein atomares Angriffs-U-Boot der USA.
 ??  ?? Martin Stricker
Martin Stricker

Newspapers in German

Newspapers from Austria