Warum U-Boote so hohe Wellen schlagen
Australien legt sich fest: Es steht in der Auseinandersetzung mit China fest auf der Seite der USA. Aber warum ist deswegen Frankreich so fuchsteufelswild?
Der Indopazifik macht Karriere. Der Ausdruck ist noch nicht lang im Vokabular des außenpolitischen Establishments, beherrscht aber zunehmend die Debatte.
Indopazifik – das ist die riesige Meeresregion zwischen Ostafrika und Ozeanien. China beansprucht mit dem Südchinesischen Meer einen zentralen Teil davon für sich allein, und das gegen internationales Seerecht. Peking verwandelt vorgelagerte Inselketten in Festungen, baut Landepisten und Militärhäfen, geht immer aggressiver vor.
Durch das Südchinesische Meer führen die großen Schifffahrtsrouten der Welt, unverzichtbar für Handel und Wirtschaft.
Indopazifik, das ist für die USA die Bezeichnung der Konfliktregion mit der aufstrebenden Macht China. Amerika grenzt daran. Wer in Kalifornien in See sticht, landet in Japan. Tokio ist ein enger Verbündeter. Auch Südkorea zählt dazu, und natürlich Taiwan. Die US-Navy ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region stationiert und stärkster Spieler im Ring – noch. Nun soll ein neues strategisches Bündnis der Aufrüstung Chinas Paroli bieten. Im Zentrum steht der Pazifikstaat Australien, der seine Wahl getroffen hat: Er schloss mit den USA und Großbritannien eine Rüstungsallianz, deren Herz vorerst acht nuklear betriebene U-Boote sind. Sie sollen in Adelaide gebaut werden. Es ist ein gewaltiger Deal über Jahrzehnte hinaus. Erstmals werden die USA atomare Hochtechnologie mit jemandem anderen als Großbritannien teilen. Australien schließt zum elitären Club der wenigen Staaten auf, die Atom-U-Boote betreiben – und Chinas Vormachtstreben im Indopazifik erleidet einen schmerzhaften Dämpfer.
Australien benötigt keine Atom-U-Boote zur Selbstverteidigung. Diese lautlosen Kriegsschiffe haben nur Sinn, wenn ihr riesiger Aktionsradius genutzt wird. Sie können die chinesische Marine Tausende Kilometer entfernt an den eigenen Küsten bedrohen und von allfälligen Blockaden im Südchinesischen Meer abschrecken. Sie können im Kriegsfall entscheidend sein. US-Präsident Joe Biden wurde deutlich: Das Bündnis solle den „sich rasch entwickelnden Bedrohungen“im Indopazifik begegnen. „Hier geht es um unsere größte Stärke, in unsere Allianzen zu investieren.“
Was die besorgten Partner der einen Allianz beruhigen wird, sorgt bei einer anderen Allianz, der mit Europa, für Scherben. Diese Fernwirkung wurde von Bidens Truppe offenbar unterschätzt. Zu groß war der Fokus auf den Indopazifik, die neue Bühne der Weltpolitik, zu gering auf Europa. Denn Australien hatte bereits einen Deal zum Bau von U-Booten. Es sollten auf eigenen Wunsch keine atomaren sein, sondern konventionell mit Diesel betriebene. 2016 unterzeichneten Australien und Frankreich einen Vertrag zum Bau von zwölf U-Booten im Wert von 56 Milliarden Euro. Vor wenigen Wochen erst wurde die langfristige militärische Zusammenarbeit feierlich betont – und plötzlich findet sich Paris ausgebootet.
Ohne Ankündigung, wie es betonte, ohne Konsultationen, weder von den USA noch von Australien.
Der Deal mit Australien hätte Frankreichs Präsenz im Indopazifik und seine Rolle zementieren sollen. Mehr als 1,6 Millionen französische Bürger leben in der Region. Von La Réunion im Indischen Ozean bis FranzösischPolynesien mit Tahiti reichen französische Besitzungen. Rund 8000 Soldaten sind stationiert und Dutzend Kriegsschiffe, darunter atomare U-Boote.
Frankreich ist in seinem Stolz zutiefst verletzt und brüskiert. Außenminister Jean-Yves Le Drian, ansonsten ein bedächtiger Politveteran, warf den USA und Australien „Doppelzüngigkeit“und „Lüge“vor, schweren Vertrauensbruch und „Missachtung“. Präsident Emmanuel Macron ließ die Botschafter in Washington und Canberra zu Konsultationen zurückholen.
Für die britische Regierung von Boris Johnson gab es nur Verachtung. Man kenne den Opportunismus in London, sagte Le Drian, zudem spiele Johnson sowieso nur das fünfte Rad am Wagen.
US-Präsident Joe Biden hat um ein Telefonat mit dem wütenden Macron ersucht, um die Wogen zu glätten. Der sieht den neuen Alleingang als nächste Bestätigung der Unzuverlässigkeit des NATO-Partners Amerika. Dessen rücksichtsloses Vorgehen lasse die „strategische Autonomie“Europas, soll heißen: größere militärische Unabhängigkeit von den USA, drängender denn je erscheinen.
Das Thema wird Brüssel 2022 massiv beschäftigen: Am 1. Jänner übernimmt Frankreich die EU-Präsidentschaft.
Fragen könnte man natürlich auch, ob die fernöstlichen nuklearen U-Boot-Strategien – die ersten Schiffe sollen 2040 in Dienst gehen – tatsächlich sind, was die Menschheit benötigt. Oder ob es nicht klüger wäre, würden USIndopazifiker und Europäer ihr Geld und ihre Intelligenz darin investieren, China und Australien von der Abkehr von der Kohle zu überzeugen, so lange noch Zeit ist.
Aber das ist, wie gesagt, eine andere Frage.