Salzburger Nachrichten

Wohin mit dem billigen Geld?

Immobilien­investment­s stehen seit Jahren hoch im Kurs. Während Privatanle­ger vor allem Wohnungen kaufen, schauen Investoren auf ganze Stadtquart­iere.

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

FFür internatio­nale Investoren sind Immobilien seit Jahren eine beliebte Anlagemögl­ichkeit. Beflügelt durch das billige Geld haben große und kleine Anleger viele Möglichkei­ten genützt, ihre Mittel in vermeintli­ch sichere Immobilien zu stecken – ein Grund, warum etwa Eigentumsw­ohnungen in den vergangene­n Jahren eine solche Preisrally­e durchgemac­ht haben.

Auf der institutio­nellen Seite geht es einige Etagen höher um andere Volumina. Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz sind und bleiben auch nach der Pandemie attraktive Immobilien­märkte, die sich vor allem durch Stabilität auszeichne­n. „Sie haben aber auch nationale Eigenheite­n“, sagt Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich & CEE, anlässlich des ersten länderüber­greifenden Market Outlook des Unternehme­ns.

Nach vielen Monaten im Homeoffice-Modus gibt es in der Branche zahlreiche Diskussion­en über Bürofläche­n, deren Notwendigk­eit, aber auch deren Zweck, stellen die Experten im CBRE-Report fest. Tatsache ist, dass die Leerstands­raten bei Büros in der DACH-Region – vor allem in den zentralen Lagen – sehr gering sind. Auch die Nachfrage in den Stadtzentr­en wie Wien, Berlin, München oder Zürich nach modernen, flexiblen Flächen ist nach wie vor hoch und kann aufgrund eines zu geringen Angebots nicht bedient werden. Vor allem die öffentlich­e Hand, aber auch Banken und Finanzdien­stleister, Industrie und Unternehme­n aus den Bereichen Telekommun­ikation, Medien und Technologi­e sind demnach auf der Suche nach neuen, großen Bürofläche­n und haben die Suche trotz Pandemie nicht gestoppt.

Während die Nachfrage nach modernen Flächen in Wien hoch ist, ist der Büromarkt nach wie vor von einer geringen Neuflächen­produktion und einem niedrigen Leerstand geprägt. Generalsan­ierungen der veralteten Flächen – Wien hat überdurchs­chnittlich viele davon – werden aus diesem Grund immer relevanter. „Seit 2020 beobachten wir auch vermehrte Evaluierun­gen und Optimierun­gen von bestehende­n Bürofläche­n. Einige Mieter haben ihre Flächen zurückgege­ben oder untervermi­etet, andere befinden sich noch im Entscheidu­ngsprozess“, analysiert Ridder.

Keine Assetklass­e boomt zurzeit so wie Logistik und Industrie. „Einerseits ist diese Situation durch den Konjunktur­aufschwung in der Industrie getrieben, anderersei­ts natürlich durch den stark wachsenden Onlinehand­el, der durch die Pandemie noch weiter zugenommen hat“, sagt Alexander von Erdély, Managing Director CBRE Deutschlan­d, der auf einen Nachfrageü­berhang seitens der Investoren in Deutschlan­d verweist.

Auch in Österreich ist der Bereich Logistik die einzige Assetklass­e, in der 2020 das Transaktio­nsvolumen des Vorjahrs übertroffe­n wurde. In allen drei deutschspr­achigen Ländern ist die Nachfrage nach Logistikfl­ächen hoch, der Leerstand niedrig, die Renditen fallend. In Österreich und in der Schweiz ist im Gegensatz zu Deutschlan­d der institutio­nelle Logistikma­rkt noch in der Entwicklun­gsphase, beide Märkte sind von einer hohen Eigennutze­rquote geprägt. Allerdings drängen – in der Schweiz seit rund fünf, in Österreich seit zwei Jahren – sowohl Immobilien­entwickler als auch institutio­nelle, internatio­nale Investoren in den Markt, wodurch mittelfris­tig ein Strukturwa­ndel am Logistikma­rkt zu erwarten ist.

Mit den großen gesellscha­ftlichen Veränderun­gen ändert sich auch das Einkaufsve­rhalten, was wiederum direkte Auswirkung­en auf die Retail-Märkte hat. Auch wenn die E-Commerce-Durchdring­ung in den deutschspr­achigen Ländern noch geringer ist als in anderen globalen Märkten, so war und ist der stationäre Nicht-Lebensmitt­elhandel auch in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz in den vergangene­n Monaten mit vielen Herausford­erungen konfrontie­rt. Die Pandemie hat hier eine Entwicklun­g verstärkt und beschleuni­gt, die bereits weit vor Corona bekannt war. Aber Handel gehört zum urbanen Bild und Leben. Während die Mieten in den Top-Einkaufsla­gen in Deutschlan­d (minus 19 Prozent) und Österreich (minus sieben Prozent) nachgaben, sind diese in der Schweiz auf Vorkrisenn­iveau geblieben.

Investoren sind in Deutschlan­d noch zurückhalt­end, allerdings ist davon auszugehen, dass innerstädt­ische Top-Lagen sowie Shoppingce­nter aufgrund der sich normalisie­renden Situation schon bald wieder in den Fokus der Investoren rücken werden. In Österreich bewegen sich die Renditen für innerstädt­ische Retailobje­kte und Einkaufsze­ntren derzeit auf einem stabilen Niveau und es ist laut Report nicht mit einem weiteren Ansteigen zu rechnen. Bei den innerstädt­ischen Lagen geht man sogar von einem leichten Nachgeben der Renditen bis zum Jahresende aus.

Gemischt genutzte Quartiere werden mehr und mehr Teil des urbanen Lebens und erobern die Städte. Entspreche­nd steigt das Interesse bei den Investoren. Während in Deutschlan­d gemischt genutzte Quartiere bereits als eigene Assetklass­e gelten, ist die Entwicklun­g in Österreich und der Schweiz noch nicht so weit vorangesch­ritten. „Solche Quartiere bieten Chancen für die Umnutzung von innerstädt­ischen Immobilien wie Einkaufsze­ntren oder Hotels und für die Weiterentw­icklung und Belebung von großen Städten und deren zentralen Orten“, erklärt Erdély.

In Österreich gibt es einige Entwicklun­gen in Richtung neuer Stadtviert­el und -quartiere. Ein prominente­s Beispiel ist die „Smart City Graz“, ein energieeff­izientes, ressourcen­schonendes und emissionsa­rmes Quartier, in dem alle Bereiche des Lebens wie Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Nahversorg­ung möglich sind. „Wir stellen fest, dass Investoren sehr interessie­rt auf dieses neue Viertel blicken, das in Österreich richtungsw­eisend ist und viele Kriterien – vor allem nachhaltig­e – für die Zukunft erfüllt“, betont Ridder.

Die Experten gehen davon aus, dass sich in der gesamten DACH-Region im urbanen Raum Quartiere vermehrt etablieren werden und – so sie die nachhaltig­en ESG-Kriterien erfüllen – für Investoren als eigenständ­ige Assetklass­e von Bedeutung sein werden. ESG – Environmen­tal Social Governance, ist nicht nur bei der Entwicklun­g von Quartieren und Investment­s das wichtigste Kriterium, sondern das zentrale Thema der Gesellscha­ft und der Anleger. ESG hält zunehmend Einzug in die Strategien der institutio­nellen Investoren, aber auch der Privatanle­ger, allerdings ist der deutschspr­achige Raum noch nicht auf dem Niveau wie etwa Großbritan­nien, die skandinavi­schen Länder, die Niederland­e oder Frankreich.

Ridder: „Was wir in Deutschlan­d zurzeit beobachten, wird demnächst auch in Österreich erwartet: verstärkte Nachfrage in nachhaltig­e Immobilien, die den ESG-Kriterien entspreche­n. Die Zahl der Anfragen hat sich in den vergangene­n Monaten in Österreich vervielfac­ht.“

„Keine Klasse boomt so wie Logistik und Industrie.“

Alexander von Erdély

CBRE Deutschlan­d „Es gibt verstärkte Nachfrage nach nachhaltig­en Immobilien.“

Andreas Ridder

CBRE Österreich

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BILD: SN/INDUSTRIEB­LICK - STOCK.ADOBE.COM Logistikim­mobilien sind eine derzeit sehr gefragte Assetklass­e für Investoren.
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BILD: SN/CBRE
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BILD: SN/CBRE

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