Eigen- und Fremdbild klaffen bei Managern oft weit auseinander.
Thomas Schmid und Rainer Seele – zwei Manager, die zuletzt in Österreich für Schlagzeilen gesorgt haben. Der eine verlor im zweiten Anlauf des Aufsichtsrats seinen Job, der andere muss vorzeitig gehen – wenngleich aus völlig unterschiedlichen Gründen. Während Schmid das System des Verquickens der Interessen von Politik und Wirtschaft im staatsnahen Bereich perfekt beherrschte, und es letztlich pervertierte, wurde dem Norddeutschen Seele auch zum Verhängnis, dass er in ebendiesem System in Österreich, in dem Gefälligkeiten ein unerlässliches Tauschobjekt sind, nie richtig heimisch wurde.
Was beide ungeachtet ihrer unterschiedlich großen Aufgaben – Schmid leitete die staatliche Holdinggesellschaft ÖBAG, die lediglich Anteile verwaltet, Seele führt mit dem Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV das größte Unternehmen Österreichs mit Staatsanteil – allerdings verbindet, ist die Erkenntnis, wie schnell es für Spitzenmanager nach unten gehen kann.
Aber welche Fähigkeiten muss man überhaupt mitbringen, um es in der Wirtschaft ganz nach oben zu schaffen? Die Erwartungen an Vorstandsvorsitzende sind hoch: Sie sollen starke Persönlichkeiten sein, die Mut zum Risiko haben, aber nicht hasardieren. Sie sollen belastbar sein, Mitarbeiter motivieren und gut kommunizieren. Dass sie wirtschaftlich erfolgreich sind und den Gewinn in lichte Höhen treiben, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Das reicht aber längst nicht mehr. In Zeiten, wo allerorten über den Klimawandel diskutiert wird und die Rettung des Planeten Erde auf dem Spiel steht, muss ein Manager auch dafür sorgen, dass sein Unternehmen eine nachhaltige Geschäftspolitik verfolgt. Dass es auch ein braver Steuerzahler sein muss und tunlichst kein Schlupfloch ausnützt, versteht sich von selbst. Dazu kommt die gesellschaftliche Verantwortung – von Spitzenmanagern wird erwartet, dass sie eine klare Haltung haben und sich zu gesellschaftlich oder politisch relevanten Themen äußern. Einer, der sich diesbezüglich mehrfach hervorgetan hat, ist der langjährige Vorstandschef des Siemens-Konzerns, Joe Kaeser. Er hat unter anderem zur Zukunft Hongkongs, dem deutschchinesischen Verhältnis, aber auch zu Rassismus und zur Flüchtlingspolitik Stellung genommen. In einem Interview mit der „Zeit“erklärte er vor Kurzem, woher er die Legitimation dafür nehme. Man habe die Mitarbeiter gefragt, sagte Kaeser, und die hielten es in großer Mehrheit für richtig, dass ihr
Chef Klartext spricht.
Die Erwartungen der Mitarbeiter sind das eine, die der Öffentlichkeit das andere. Vorstandschefs stehen unter Beobachtung, Fehltritte bleiben nicht lange unbemerkt. Je nachdem, wie schwer sie wiegen, ist die Karriere schnell vorbei. Was passiert, wenn man seinen Platz im Olymp der Manager räumen muss? Nun, meist fällt man nicht hart. In die Wüste geschickt zu werden mag am Ego kratzen, aber finanziell wird der Sturz aus dem gepolsterten Vorstandssessel gut abgefedert. In den 1980er-Jahren etablierte sich für die üppigen Abfindungen in den USA der Begriff des „Goldenen Fallschirms“– teils exorbitant hohe Millionenbeträge sorgen zwar für eine weiche Landung, aber auch regelmäßig für Empörung in der Öffentlichkeit.
Wer Macht hat, hat auch die Möglichkeit, sie zu missbrauchen. Wenn Spitzenmanager vom rechten Weg abkommen, haben allerdings nicht nur sie ein Problem, sondern das ganze Unternehmen. Man denke an den Dieselskandal im Volkswagen-Konzern oder den schon länger zurückliegenden Schmiergeldskandal beim Elektro- und Elektronikriesen Siemens. In beiden Fällen wollten sich VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und Ex-SiemensVorstandsund dann Aufsichtsratsvorsitzender Heinrich von Pierer damit exkulpieren, von den Machenschaften ihrer Mitarbeiter nichts mitbekommen zu haben. Es half nichts, der öffentliche Druck war so groß, dass sie nicht nur ihr Amt verloren, sondern auch vor Gericht landeten. Noch krasser sind die jüngsten Fälle des Finanzdienstleisters Wirecard und der Commerzialbank Mattersburg. Da bauten die Männer an der Spitze ein Kartenhaus auf, das letztlich krachend in sich zusammenfiel – mit einem Milliardenschaden für die Anleger bei Wirecard und dem Verlust mehrerer Hundert Millionen bei der Commerzialbank.
Solche Fälle schlagen negativ auf das Image aller Manager durch, sie sind aber die Ausnahme. In der Regel arbeiten Vorstandschefs ehrlich und sehr hart und zahlen dafür auch einen Preis. An der Spitze ist man einsam. Je weiter man nach oben kommt, umso geringer ist die Dichte an Menschen, denen man bedingungslos vertrauen kann. Ehrliches Feedback ist für Frauen und Männer in Spitzenpositionen oft nicht zu bekommen, selbst wenn sie versuchen, eine entsprechende Unternehmenskultur zu schaffen. Spitzenmanager müssen auch auf vieles verzichten, etwa auf gemeinsame Zeit mit der Familie. Der heute 86jährige Hilmar Kopper, der von 1989 bis 1997 die Deutsche Bank führte, sagte jüngst in einem Interview: „Wir sind in all den Jahren nur zwei Mal zusammen verreist. Mehr als eine Woche Urlaub am Stück gab es nicht. Man arbeitete wie ein Berserker. Daran ist auch meine Ehe gescheitert.“
Der langjährige Vorstandschef des Stromkonzerns Verbund, Wolfgang Anzengruber, sagte in einem Interview mit den SN Ende 2009 nach der Finanzkrise den schönen Satz: „Ich glaube, man sollte auch ein bisschen gnädig zu sich selbst sein.“Soll heißen, an Vorstandschefs ist ein harter Maßstab anzulegen, fachlich und auch persönlich, weil ihnen eine starke Vorbildwirkung zukommt. Aber auch Topmanager sind nur Menschen, die ein paar spezielle Fähigkeiten haben, aber eben auch Fehler machen.