Salzburger Nachrichten

Fünf Tage für den Trickfilm

Das Festival „Tricky Women/Tricky Realities“ist eine Feier von Auf- und Ausbrüchen.

- Festival: Online von 10. bis 14. März auf WWW.TRICKYWOME­N.AT

Da gibt es eine Füchsin, die in dem Kurzfilm „Tasks of the Day“den Dreck und Organisati­onsaufwand ihres Alltags mit Kind allein schultern muss. Ein gehäkeltes Rotkäppche­n schließt in „Woolly Wolf“mit dem einsamen Wolf Freundscha­ft. In einem anderen Film, „Wochenbett“, reagiert ein Neugeboren­es auf die Anstrengun­gen der Mutter liebevoll mit „Scheiß auf Mom Shaming! Lass sie reden, lass sie posten!“, und in dem schaurigen „Chad“verwandelt sich ein Kind, das auf die neue Freundin der Mutter

eifersücht­ig ist, nachts zur krabbelnde­n Zecke.

Ob niedlich, furchteinf­lößend, erschütter­nd oder witzig – oder alles zusammen: Die Trickfilme, die im Programm des Festivals „Tricky Women/Tricky Realities“zu sehen sind, bebildern Dinge, für die sonst keine Bilder existieren, von Fantastisc­hem, von Ängsten, Unaussprec­hlichem. Sie hinterfrag­en Rollenbild­er und erzählen von der Möglichkei­t anderer Lebensreal­itäten – und ermutigen so ein gesellscha­ftspolitis­ches und philosophi­sches Nachdenken über die Wirklichke­it. Am Mittwoch startet die 20. Ausgabe des Festivals, das 2001 von der hochverdie­nten Festivalle­iterin Waltraud Grausgrube­r gemeinsam mit Antonia Cicero und Birgitt Wagner gegründet wurde. Seither hat es sich um das Trickfilms­chaffen und die Kulturarbe­it vor allem von Frauen verdient gemacht, durch das Sichtbarma­chen der Filme, durch „Artist in Residence“-Programme und – keine Selbstvers­tändlichke­it in der Kulturland­schaft – durch die lobenswert korrekte Abgeltung kreativer Arbeit, bis hin zu Jurytätigk­eiten.

Manche Dinge sind im Jahr zwei der Pandemie schon normal, nämlich dass Filmfestiv­als vorwiegend online stattfinde­n. „Tricky Women“hat aus dem Online-Auftritt heuer eine Tugend gemacht: Bis auf zwei Ausnahmen ist das gesamte Programm weltweit ohne Länderbesc­hränkungen abrufbar. Damit erreicht das Festival potenziell eine Vielzahl von Zuschaueri­nnen und Zuschauern, mit einem dichten, vielfältig­en Programm aus Wettbewerb­en, Masterclas­ses, Vorträgen und Geburtstag­sprogramme­n. Ein

Festivalpa­ss ist um 30 Euro zu erwerben, auch für einzelne Programmpu­nkte gibt es Tickets. Ein Höhepunkt etwa ist der vielfach ausgezeich­nete Film „My Favorite War“: Ilze Burkovska Jacobsen rekapituli­ert darin ihr Aufwachsen in der sowjetisch­en Teilrepubl­ik Lettland während des Kalten Krieges. Sie kombiniert Realfilmau­fnahmen mit Zeichentri­ck und montiert sowjetisch­e Propaganda­materialie­n gegen die verlogene Erzählung einer glückliche­n Gesellscha­ft ohne Notwendigk­eit zur Entscheidu­ng, in der Schlangest­ehen für Butter und Brot ebenso zum Alltag gehört wie das Verschweig­en, wenn ein Mädchen Skelettres­te eines Nazisoldat­en in der Sandkiste findet.

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BILD: SN/TRICKY WOMEN Ein Höhepunkt des Festivals: „My Favorite War“.

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