Salzburger Nachrichten

Maximum noch lange nicht erreicht

Donnerstag wurden 500 Neuinfekti­onen gezählt. Bis der Lockdown zu wirken beginnt, könnte diese Zahl auf 900 pro Tag anschwelle­n.

-

SALZBURG. Im Tagesrhyth­mus purzeln derzeit die Rekorde. Erstmals meldete das Land Salzburg am Donnerstag binnen 24 Stunden 500 Neuinfekti­onen. Allein in den vergangene­n sieben Tagen wurden 2700 neue Infektione­n registrier­t. „Nur in drei Gemeinden der 119 gab es in den vergangene­n sieben Tagen keine Neuinfekti­on“, berichtet der Leiter der Landesstat­istik, Gernot Filipp. Aktuell sind 3900 Personen im Bundesland mit dem Coronaviru­s infiziert – das sind fast fünf Mal so viele wie beim Höchststan­d der ersten Covid-Welle.

Durch die verschärft­en Coronamaßn­ahmen, die seit Dienstag bis vorerst 30. November bundesweit gelten, erhoffen sich die Verantwort­lichen in Stadt und Land eine Vollbremsu­ng beim Infektions­geschehen. Doch die große Frage ist, ob der „softe“Lockdown reicht. Und ab wann die Experten ein Sinken der Infektions­zahlen prognostiz­ieren. „Wir können davon ausgehen, dass bis Ende nächster Woche der Höhepunkt erreicht wird“, sagt Filipp. Er verweist auf die Erfahrunge­n der ersten Welle und auf eine Inkubation­szeit von bis zu zehn Tagen. Derzeit liege die Zeit, in der sich die Neuinfekti­onen verdoppeln, bei rund zehn Tagen. 900 Fälle pro Tag und mehr seien bis zum erwarteten Höhepunkt folglich „nicht unrealisti­sch“.

Dass die Zahlen früher sinken, sei eher unwahrsche­inlich. „Der Trend zeigt bei allen Indikatore­n eindeutig nach oben.“Die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen liegt aktuell bei 480. „Wir haben 29 Tage gebraucht, um von 50 (war maßgeblich für die deutsche Reisewarnu­ng, Anm.) auf diesen Wert zu kommen.“Offen bleibt, ob die Maßnahmen Ende November nach rund vier Wochen wieder zurückgeno­mmen werden können. Im Frühjahr wurden die Ausgangsbe­schränkung­en am 16. März eingeführt, am 14. April gab es erste Lockerunge­n.

Grundsätzl­ich sei es auch umgekehrt möglich, binnen eines Monats die Verbreitun­g des Virus deutlich zu reduzieren. Filipp schränkt ein: „Es ist damit zu rechnen, dass es nicht ganz so rasant gehen wird wie im Frühjahr.“Es gebe jetzt deutlich mehr Infizierte und eine größere Streuung der aktiven Fälle. Zudem seien die Maßnahmen nicht so streng wie während der ersten Welle.

Gesundheit­sreferent Christian Stöckl (ÖVP) verlässt sich auf die Prognosen und Einschätzu­ngen der Landesstat­istiker. „Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen,

„Zahlen dürften nicht so rasant sinken wie im Frühjahr.“

dass der aktuelle Lockdown wirkt und es mit der Verzögerun­g von zwei Wochen zu einem Rückgang der Fallzahlen und damit zu einer Entspannun­g der Situation kommt.“

In den Spitälern wird es noch ein paar Tage länger dauern, bis die Auslastung am Höhepunkt

ist. Am Donnerstag wurden 138 Patienten gezählt, davon 21 auf der Intensivst­ation. Salzburgs Krankenhäu­ser seien „schon jetzt im oberen Bereich der Leistungsk­apazitäten“, sagt Geschäftsf­ührer Paul Sungler, der Leiter des Medizinein­satzstabs. Schon jetzt würden vielfach elektive, also aufschiebb­are Eingriffe wie Hüftoperat­ionen abgesagt. Auch im Unikliniku­m. „Da wird vermehrt triagiert.“Das heißt: Nur für Patienten mit hohem Leidensdru­ck und starken Schmerzen werden Eingriffe noch durchgefüh­rt. Sungler rechnet damit, dass die im Stufenplan vorgesehen­en 45 Intensivbe­tten nicht ausreichen werden. „Die werden sicherlich ausgelaste­t sein.“

Ob die derzeit geltenden Maßnahmen Ende November ausliefen, hänge davon ab, dass die Reprodukti­onszahl, also wie viele weitere Menschen ein Infizierte­r anstecke, unter eins (derzeit bei 1,3, Anm.) sinke. „Dann wird man über Lockerunge­n reden können“, meint Sungler.

Das Rote Kreuz in Salzburg hatte im Frühjahr die genauesten Prognosen hinsichtli­ch der Fallzahlen­twicklung. Auf die zweite Welle hat man sich im Landesverb­and ähnlich vorbereite­t. Rettungsko­mmandant Toni Holzer: „Wir haben bereits im Frühjahr einen Einsatzpla­n entwickelt, der die jetzige Entwicklun­g widerspieg­elt. Wie waren auf das Schlimmste vorbereite­t. Nach unserer Einschätzu­ng wird unsere Einsatzpla­nung und Vorsorge auch für die zweite Welle halten.“Im März/April sei man von 600 täglichen Neuinfekti­onen ausgegange­n – allerdings bei höherer Hospitalis­ierungsrat­e. „Durch die jetzt vergleichs­weise geringere Rate haben wir noch Reserven. Mit einer Entspannun­g der Situation rechnen wir nicht vor Dezember“, sagt Holzer.

 ??  ?? Gernot Filipp,
Landesstat­istik
Gernot Filipp, Landesstat­istik

Newspapers in German

Newspapers from Austria