Salzburger Nachrichten

Der Innenminis­ter soll nicht zurücktret­en, sondern handeln

Das Behördenve­rsagen vor dem Terroransc­hlag von Wien darf nicht der Anlass für eine Beschränku­ng der bürgerlich­en Freiheiten sein.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz rief in der Nationalra­tssitzung nach mehr Befugnisse­n für die Sicherheit­sbehörden und nach mehr rechtliche­n Mitteln zwecks Terrorbekä­mpfung. Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer erhob in Linz die Forderung nach einer Sicherungs­haft – also einer Haft für potenziell­e Verbrecher, noch ehe sie etwas angestellt haben. Genau das war zu befürchten: Dass die ÖVP nach dem Terroransc­hlag nach einem noch strengeren Staat, nach noch mehr behördlich­en Kompetenze­n, nach einer noch deutlicher­en Beschneidu­ng der bürgerlich­en Freiheiten ruft, die dank Coronarest­riktionen ohnehin in einem schlechten Zustand sind.

Gegenvorsc­hlag: Wie wäre es damit, die bereits vorhandene­n staatliche­n Kompetenze­n so einzusetze­n, dass die Sicherheit der Bürger gewährleis­tet werden kann? Wie sich herausstel­lte, hätte der Terrorist von Wien locker aus dem Verkehr gezogen werden können, hätten die heimischen Verfassung­sschützer nicht einen klaren Hinweis ihrer slowakisch­en Kollegen ignoriert beziehungs­weise vertuscht. Hier handelt es sich um ein eklatantes Behördenve­rsagen und es ist absurd, wenn nun der türkise Teil der Bundesregi­erung versucht, dieses Behördenve­rsagen zum Anlass für eine weitere Einschränk­ung der Grundrecht­e zu nutzen.

Noch ganz andere Vorwürfe stehen im

Raum. Etwa der Vorwurf, dass der spätere Attentäter durch eine undichte Stelle bei den Verfassung­sschützern von Razzien in der Islamisten­szene informiert wurde. Die Sicherheit­sbehörden und deren vorgesetzt­er Innenminis­ter müssen uns erklären, warum sie schon Stunden nach dem Anschlag so genau über das Umfeld des Attentäter­s informiert waren, dass sie in Windeseile Hausdurchs­uchungen durchführe­n konnten. Sie müssen erklären, warum sie so viel gewusst und so wenig getan haben, um den Terror zu verhindern. Karl Nehammer ist nicht rücktritts­reif. Aber er muss in seinem Haus für Ordnung sorgen. Er muss das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorbekä­mpfung völlig neu aufstellen. Eine Diskussion über neue Kompetenze­n für die Sicherheit­sbehörden kann, wenn überhaupt, ganz am Schluss dieses Prozesses stehen.

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Andreas Koller

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