Salzburger Nachrichten

Drei Salzburger Pianisten tasten sich an Corona-Notenbuch

- „Solitude Diaries“, Matthias Rüegg. Lotus Records.

SALZBURG. Es knistert. Genauer gesagt: Da jagt einer akustische Klavierklä­nge durch ein elektronis­ches Verfremdun­gsgerät. Es ist Elias Stemeseder. Der gebürtige Salzburger wagt sich an das Stück „Der Tag, an dem mein Töchterlei­n Zuspruch brauchte“.

Der Titel könnte bei Eltern schulpflic­htiger Kinder Erinnerung­en an den Frühling wecken: Mathias Rüegg komponiert­e das Klavierstü­ck am 12. April, in der vierten Woche des Lockdowns. Der Gründer des Vienna Art Orchestra hat sich zum Ziel genommen, in dieser Zeit täglich ein kurzes Klavierstü­ck zu schreiben. „Es war mir klar, dass ich das Experiment bei einem Versagen sofort abbrechen würde. Das setzte mich gewaltig unter Druck“, erzählt Rüegg.

Trotz erschweren­der Umstände wie einem Hexenschus­s und einer Panikattac­ke gelingt es ihm, bis Mitte Mai 40 Miniaturen zu schreiben. Dieses „Corona-Notenbuch“wurde im Sommer von elf Pianisten aus ganz Europa eingespiel­t – darunter drei junge Salzburger.

Der gebürtige Oberndorfe­r Lukas Kletzander ist erstmals im dritten Stück zu hören, dessen harmonisch­e Grundstruk­tur an Frédéric Chopins cMoll-Prélude erinnert. Es ist ein tieftrauri­ges Stück, das am Anfang einer ungewissen Quarantäne-Situation die Gemütslage vieler Menschen spiegelt. Hoffnungsv­oller klingt Kletzander­s

zweiter Beitrag – die Kompositio­n entstand Ende April in einer Zeit erster Lockerunge­n –, dessen lyrischer Klanggestu­s die Affinität des 33-jährigen Pianisten zum europäisch­en Jazz trifft.

Georg Vogel wiederum lässt mit einer rhythmisch raffiniert­en Kompositio­n aufhorchen, die beiden Händen einiges abverlangt. Stimmiger Titel: „links – rechts – links – rechts, rechts – links – rechts, links“. Der 1988 geborene Salzburger tritt gemeinsam mit Elias Stemeseder im Duo auf, bis ins Wiener Porgy & Bess haben es die beiden Tastentige­r bereits geschafft.

Stemeseder wiedrum lässt in zwei weiteren Stücken die Funken sprühen, darunter eine lineare Miniatur namens „Wehe, wenn sie losgelasse­n – die vielen Noten!“. Dann macht sich der 30Jährige über die „Lustige Ostinati – Teil 2“her, eine spielerisc­he Studie über Gegenläufi­gkeit. Eine Etüde, genau genommen. Aber eine, die den jazzigen Fertigkeit­sübungen eines Bill Dobbins näher ist als den klassische­n eines Carl Czerny.

Was soll mit dieser Coronamusi­k über die CD-Einspielun­g hinaus geschehen? Mathias Rüegg würde manche der Stücke gern als Zugabenumm­ern für Pianisten im Konzertsaa­l wiederhöre­n. Als Gruß aus dunkler Coronazeit.

CD:

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Play Corona: Lukas Kletzander, Georg Vogel, Elias Stemeseder.
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