Salzburger Nachrichten

Warum sollen sich Junge zusammenre­ißen?

Gesellscha­ft und Politik würden gut daran tun, die wachsenden Probleme des Nachwuchse­s ernst zu nehmen.

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Die Pandemie verschärft sich wieder und damit werden auch Probleme einer Generation größer, die kaum wahrgenomm­en werden. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hat einen notwendige­n „Pakt gegen Alterseins­amkeit“angekündig­t, Sozialmini­ster Rudolf Anschober (Grüne) einen ebenso wichtigen „Aktionspla­n gegen Armut“. Von einem Schultersc­hluss für Junge ist keine Rede. Dabei setzt ihnen die Krise ganz besonders zu, und zwar nachhaltig.

Im Frühjahr gehörten die Schulen zu den ersten Einrichtun­gen, die geschlosse­n wurden. Fernunterr­icht funktionie­rte mehr schlecht als recht. Darunter gelitten haben vor allem jene, die am meisten darauf angewiesen wären: Kinder, mit denen zu Hause kaum gelesen und geschriebe­n wird. Die Wahrschein­lichkeit, dass sie eines Tages zu einem ordentlich­en Job kommen werden, ist nun weiter gesunken.

Womit wir bei der nächsten Krisenfolg­e angekommen wären: Österreich ist erstmals mit einem ausgewachs­enen Phänomen namens Jugendarbe­itslosigke­it konfrontie­rt. Nur sieht das nicht jeder. Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) sagte unlängst, die Stadt werde bei einer Beschäftig­ungsinitia­tive über 50-Jährige bevorzugen. Argument: Sie würden besonders unter der Wirtschaft­skrise leiden. Das war nicht ganz korrekt: Bei 20- bis 24-Jährigen ist die Arbeitslos­igkeit gerade in Wien am stärksten gestiegen, um 35 Prozent nämlich.

Wer derzeit ins Berufslebe­n starten sollte, hat es schwer. In einer Rezession bedeutet das, dass die Auswahl überschaub­ar ist. Also muss man sich mit dem begnügen, was da ist. Und das wiederum ist eher schlecht bezahlt. Das aufzuholen dauert viele Jahre.

Junge wiederum, die bereits vor Beginn der Pandemie eine Beschäftig­ung hatten, haben in den vergangene­n Monaten zahlreiche­r Einkommens­verluste erlitten als andere Altersgrup­pen. Das hat eine Erhebung der Universitä­t Wien bestätigt: Bei unter 30-Jährigen verdient heute ein Drittel weniger, bei 30 bis 65-Jährigen „nur“ein Viertel und bei über 65-Jährigen, die von einer sicheren Pension profitiere­n, ein Sechstel.

Vielleicht begründet all das auch schon eine gewisse Disziplinl­osigkeit einzelner Jugendlich­er, wenn es darum geht, Abstand zu halten oder überhaupt zu Hause zu bleiben: Wozu? Sie haben doch kaum noch etwas zu verlieren. Coronainfe­ktionen verlaufen in aller Regel verhältnis­mäßig glimpflich für sie. Sorgen und Nöte, die sie haben, werden von Gesellscha­ft und Politik zu wenig wahrgenomm­en. Das ist nicht klug: Das Virus kann nur mit den Jungen besiegt werden. Sie sind mobiler, pflegen mehr Kontakte und sorgen daher auch für viele Ansteckung­en. Also gehören sie ernst genommen und zum Teil einer Lösung gemacht.

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