Heuer klopft zu Halloween der Lockdown an der Tür
Wegen drohender Überlastung der Intensivstationen: Regierung stimmt auf drastische Einschränkungen ein. Die Opposition ist über die Verzögerung empört.
„Bitte warten!“heißt es, was die von der Regierung angekündigte Verschärfung der Coronamaßnahmen betrifft. Erst am Samstag soll konkret verkündet werden, was Österreich in einen „lockdownähnlichen“Zustand versetzen wird.
Am Donnerstag bereitete die Bundesregierung die Bevölkerung auf drastische Maßnahmen vor. „Wir müssen massiv gegensteuern“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz unter Hinweis auf einen drohenden Engpass in den Intensivstationen der Spitäler. „Wir werden nicht zulassen, dass Ärzte entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“Zu diesem Zweck müsse die
Dynamik der Zunahme der Infektionsfälle gestoppt werden, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der ebenfalls drastische Maßnahmen ankündigte. Verkünden will sie die Regierung nach Gesprächen mit den Bundesländern, der Opposition und den Sozialpartnern am Samstag.
Diese Verzögerung rief am Donnerstag wütende Proteste der Oppositionsparteien hervor. Der Tenor ihrer Kritik lautet: Mit dem Abwarten bis zum Wochenende löse die türkis-grüne Regierung in der Bevölkerung Verunsicherung aus und verliere wichtige Tage im Kampf gegen das Virus.
WIEN. Mit dramatischen Worten versucht die Regierung die Bevölkerung auf kommende Verschärfung der Coronamaßnahmen vorzubereiten. „Das Bisherige reicht nicht. Wir müssen deutlich, deutlich nachjustieren“, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober. „„Wir müssen massiv gegensteuern“, sagt auch Kanzler Sebastian Kurz. „Wir werden nicht zulassen, dass Ärzte entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“
Der Regierungschef spielt damit auf die aktuelle Situation der Intensivmedizin an, die seinen Angaben nach zu neuerlichen Verschärfungen der Coronamaßnahmen und also zu „lockdownähnlichen Zuständen“zwingt. Diese Situation der Intensivmedizin lässt sich laut Kurz und den von ihm beigezogenen Experten so darstellen:
1. In den Spitälern gibt es rund 2000 Intensivbetten Ihre Anzahl lässt sich kurzfristig nicht erhöhen, da die Ausbildung des dafür notwendigen intensivmedizinischen Personals Jahre dauert. Derzeit können maximal 1800 Intensivpatienten versorgt werden.
2. 60 Prozent der Betten für Nicht-Covid-Patienten Die Betten sind für Unfallopfer, Personen mit Herzinfarkten etc. reserviert. Somit bleiben etwa 600 bis 700 Intensivbetten für die Betreuung von Covid-Patienten übrig.
3. Aktuell 248 Covid-Patienten auf der Intensivstation Die Tendenz ist stark steigend, denn zum einen steigen die Infektionszahlen und zum anderen sind die über 85-Jährigen bereits die zweitgrößte Infiziertengruppe. Und sie ist die Altersgruppe mit den potenziell schwersten Verläufen.
4. 100 Coronainfizierte = 1 Spitalspatient Von 100 Infizierten landet im Schnitt einer im Krankenhaus und in weiterer Folge oft auf der Intensivstation.
Aus diesen Punkten zieht die Regierung den Schluss, dass ab 6000 Neuinfizierten pro Tag die Intensivmedizin-Kapazitäten überfordert sind. Dann müssten nicht nur Operationen verschoben werden, sondern die Ärzte müssten entscheiden, wer noch behandelt werde und wer nicht, sagt Kurz. „Das werden wir nicht zulassen.“
Laut Anschober muss zu diesem Zweck die Dynamik des Infektionsgeschehens unterbrochen werden: Die derzeit 248 Covid-Intensivfälle seien durch eine Verdoppelung der Fälle in den vergangenen zwei Wochen zustande gekommen. Nun verdoppeln sich die Fälle aber bereits binnen einer Woche. „Das ist eine ganz schlechte Dynamik“, warnt Anschober. „Wenn wir nicht gegensteuern, sind wir Mitte bis Ende November an den Grenzen der intensivmedizinischen Kapazitäten angelangt.“
Um das zu verhindern, sollen am Samstag nach Gesprächen mit den Bundesländern, den Oppositionsparteien und den Sozialpartnern verschärfte Maßnahmen verkündet werden. Deren Ziel ist es, die Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren. Eindringlich ersucht die Regierung, auf Familienzusammenkünfte zu verzichten und nicht Halloween zu feiern.
Kurz sagte, er konstatiere eine gewisse Coronamüdigkeit in der Bevölkerung. „Viele wollen nicht mehr, und ich verstehe das“, sagte Kurz. „Uns geht es genauso. Regierungsmitglieder sind auch Staatsbürger. Aber die Anti-Corona-Strategie kann sich nicht ändern. Denn was ist die Alternative? Ich habe noch keine vernünftige gehört.“