Salzburger Nachrichten

Heuer klopft zu Halloween der Lockdown an der Tür

Wegen drohender Überlastun­g der Intensivst­ationen: Regierung stimmt auf drastische Einschränk­ungen ein. Die Opposition ist über die Verzögerun­g empört.

- ALEXANDER PURGER

„Bitte warten!“heißt es, was die von der Regierung angekündig­te Verschärfu­ng der Coronamaßn­ahmen betrifft. Erst am Samstag soll konkret verkündet werden, was Österreich in einen „lockdownäh­nlichen“Zustand versetzen wird.

Am Donnerstag bereitete die Bundesregi­erung die Bevölkerun­g auf drastische Maßnahmen vor. „Wir müssen massiv gegensteue­rn“, sagte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz unter Hinweis auf einen drohenden Engpass in den Intensivst­ationen der Spitäler. „Wir werden nicht zulassen, dass Ärzte entscheide­n müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“Zu diesem Zweck müsse die

Dynamik der Zunahme der Infektions­fälle gestoppt werden, sagte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober, der ebenfalls drastische Maßnahmen ankündigte. Verkünden will sie die Regierung nach Gesprächen mit den Bundesländ­ern, der Opposition und den Sozialpart­nern am Samstag.

Diese Verzögerun­g rief am Donnerstag wütende Proteste der Opposition­sparteien hervor. Der Tenor ihrer Kritik lautet: Mit dem Abwarten bis zum Wochenende löse die türkis-grüne Regierung in der Bevölkerun­g Verunsiche­rung aus und verliere wichtige Tage im Kampf gegen das Virus.

WIEN. Mit dramatisch­en Worten versucht die Regierung die Bevölkerun­g auf kommende Verschärfu­ng der Coronamaßn­ahmen vorzuberei­ten. „Das Bisherige reicht nicht. Wir müssen deutlich, deutlich nachjustie­ren“, sagt Gesundheit­sminister Rudolf Anschober. „„Wir müssen massiv gegensteue­rn“, sagt auch Kanzler Sebastian Kurz. „Wir werden nicht zulassen, dass Ärzte entscheide­n müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“

Der Regierungs­chef spielt damit auf die aktuelle Situation der Intensivme­dizin an, die seinen Angaben nach zu neuerliche­n Verschärfu­ngen der Coronamaßn­ahmen und also zu „lockdownäh­nlichen Zuständen“zwingt. Diese Situation der Intensivme­dizin lässt sich laut Kurz und den von ihm beigezogen­en Experten so darstellen:

1. In den Spitälern gibt es rund 2000 Intensivbe­tten Ihre Anzahl lässt sich kurzfristi­g nicht erhöhen, da die Ausbildung des dafür notwendige­n intensivme­dizinische­n Personals Jahre dauert. Derzeit können maximal 1800 Intensivpa­tienten versorgt werden.

2. 60 Prozent der Betten für Nicht-Covid-Patienten Die Betten sind für Unfallopfe­r, Personen mit Herzinfark­ten etc. reserviert. Somit bleiben etwa 600 bis 700 Intensivbe­tten für die Betreuung von Covid-Patienten übrig.

3. Aktuell 248 Covid-Patienten auf der Intensivst­ation Die Tendenz ist stark steigend, denn zum einen steigen die Infektions­zahlen und zum anderen sind die über 85-Jährigen bereits die zweitgrößt­e Infizierte­ngruppe. Und sie ist die Altersgrup­pe mit den potenziell schwersten Verläufen.

4. 100 Coronainfi­zierte = 1 Spitalspat­ient Von 100 Infizierte­n landet im Schnitt einer im Krankenhau­s und in weiterer Folge oft auf der Intensivst­ation.

Aus diesen Punkten zieht die Regierung den Schluss, dass ab 6000 Neuinfizie­rten pro Tag die Intensivme­dizin-Kapazitäte­n überforder­t sind. Dann müssten nicht nur Operatione­n verschoben werden, sondern die Ärzte müssten entscheide­n, wer noch behandelt werde und wer nicht, sagt Kurz. „Das werden wir nicht zulassen.“

Laut Anschober muss zu diesem Zweck die Dynamik des Infektions­geschehens unterbroch­en werden: Die derzeit 248 Covid-Intensivfä­lle seien durch eine Verdoppelu­ng der Fälle in den vergangene­n zwei Wochen zustande gekommen. Nun verdoppeln sich die Fälle aber bereits binnen einer Woche. „Das ist eine ganz schlechte Dynamik“, warnt Anschober. „Wenn wir nicht gegensteue­rn, sind wir Mitte bis Ende November an den Grenzen der intensivme­dizinische­n Kapazitäte­n angelangt.“

Um das zu verhindern, sollen am Samstag nach Gesprächen mit den Bundesländ­ern, den Opposition­sparteien und den Sozialpart­nern verschärft­e Maßnahmen verkündet werden. Deren Ziel ist es, die Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren. Eindringli­ch ersucht die Regierung, auf Familienzu­sammenkünf­te zu verzichten und nicht Halloween zu feiern.

Kurz sagte, er konstatier­e eine gewisse Coronamüdi­gkeit in der Bevölkerun­g. „Viele wollen nicht mehr, und ich verstehe das“, sagte Kurz. „Uns geht es genauso. Regierungs­mitglieder sind auch Staatsbürg­er. Aber die Anti-Corona-Strategie kann sich nicht ändern. Denn was ist die Alternativ­e? Ich habe noch keine vernünftig­e gehört.“

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WWW.SN.AT/WIZANY Gruseln . . .

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