Über Wiens Parteien ergießt sich das Füllhorn
Nirgendwo ist die Parteienförderung so üppig wie in Wien. Die Neos wollen auf ein gut dotiertes Amt verzichten. Was bringt das?
Auch die Bierpartei hat Bezirksräte und erhält Parteienförderung
Was vor der Wahl versprochen wird, hat nach der Wahl mitunter nur noch bedingte Gültigkeit. Die Wiener Neos hingegen wollen halten, was sie versprochen haben: Sie werden auf das ihnen aller Voraussicht nach zufallende Amt des „nicht amtsführenden Stadtrats“verzichten. Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr werde das Amt nicht annehmen, wie in der Parteizentrale betont wird: Dazu gebe es einen Vorstandsbeschluss und eine eidesstattliche Erklärung.
„Nicht amtsführende Stadträte“sind eine Wiener Besonderheit: Es handelt sich dabei um Mitglieder der Stadtregierung, die keinen Zuständigkeitsbereich haben. Anders gesagt: Jede Partei, die eine bestimmte Stärke erreicht, hat laut Proporz Anspruch auf einen Stadtratssitz – Vertreter der Opposition halt auf einen ohne Ressort und ohne Verantwortung. Der Job ist dennoch mit rund 9000 Euro pro Monat dotiert. Kommt, wie es bei der FPÖ war, noch das Amt des Vizebürgermeisters dazu, sind es rund 10.000 Euro pro Monat. Neos-Chef Wiederkehr wetterte im Wahlkampf regelmäßig gegen die „teuersten Arbeitslosen von Wien“.
Rein technisch gesehen kann man das Amt aber gar nicht nicht antreten. Man kann nur auf sein Vorschlagsrecht verzichten. Was dann passiere? „Wahrscheinlich kriegt es eine andere Fraktion“, heißt es bei den Neos. Ob das nicht kontraproduktiv sei, wo doch die Stadträte auch etwas mehr Einsicht in die Geschäfte der Stadtregierung bekämen als normale Gemeinderäte? Es könnte ja auch sein, dass der Stadtsenat kleiner ausfalle, „wenn die anderen Parteien nicht zu gierig sind“, wird betont. Die Hoffnung stirbt offenbar zuletzt.
Der Wiener Stadtsenat kann dabei das anachronistische Amt gar nicht abschaffen. Denn nicht amtsführende Stadträte sind in der Bundesverfassung verankert, was heißt, dass der Nationalrat aktiv werden muss. Bereits zwei Mal fand sich für eine Abschaffung aber keine Mehrheit: ÖVP und FPÖ argumentierten, dass nicht amtsführende Stadträte Kontrollfunktion hätten. Solange es für die Opposition nicht mehr Kontrollrechte gebe, sei man gegen eine Abschaffung dieses Amtes.
So großzügig Wien Stadträte entschädigt, die nichts zu tun haben, so üppig fließt die Parteienförderung generell in der Bundeshauptstadt: Laut dem Parteienfinanzierungsexperten Hubert Sickinger seien die Fördergelder in Oberösterreich und der Steiermark zwar auch hoch – „aber Wien ist Spitzenreiter“. Die Bundeshauptstadt schöpfe die gesetzlich vorgegebene Obergrenze „voll aus“, sagt Sickinger.
Wien fördert die Parteien demnach aktuell mit 24,08 Euro pro Wahlberechtigtem. In Salzburg und Tirol waren es 2019 nur 14 Euro. Am sparsamsten sind das Burgenland und Vorarlberg (elf Euro). Konkret erhielt die Wiener SPÖ 2019 11,4 Mill. Euro Parteienförderung, hinzu kamen zwei Mill. Euro Klubförderung und 860.000 Euro zur Förderung der Bildungsarbeit. Machte unterm Strich fast 14,3 Mill. Euro. Die FPÖ, die 2015 noch zweitstärkste Partei wurde, hat 2019 mehr als zwölf Mill. Euro bekommen und dürfte nach ihrem Totalabsturz rund acht Mill. Euro verlieren. Die Förderung wird übrigens – anders als Familienleistungen – automatisch pro Jahr erhöht.
Nicht ganz leer ausgehen wird die Liste von Ex-FPÖ-Chef HeinzChristian Strache – obwohl es der Ex-FPÖ-Chef nicht über die FünfProzent-Hürde in den Gemeinderat geschafft hat. Da er aber aller Voraussicht nach in 16 Wiener Bezirken mit ein bis drei Mandataren den Einzug ins Bezirksparlament schaffen wird, regnet es auch für das THC Parteienförderung: Pro Wahlberechtigtem im Bezirk sind das 8,02 Euro, wie es im Rathaus auf Nachfrage heißt. Die Parteienförderung könnte somit mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr betragen. Hinzu kommt die Entschädigung von 463,90 Euro pro Monat für jeden Bezirksrat. Für Klubobleute im Bezirksparlament – ein Klub braucht nur zwei Mandatare – gibt es sogar rund 1100 Euro monatlich.
Das gilt freilich für alle Wiener Kleinparteien. So hat etwa auch die Bierpartei, die berauschende zwei Prozent in Wien schaffte, künftig zwölf Bezirksräte. Dabei stehen auf den Listen der Satirepartei nur sechs Kandidaten, wie Parteigründer und Rocksänger Marco Pogo bestätigt. Was mit der Parteienförderung passiere? „Jetzt muss ich mir erst einmal Klarheit verschaffen“, sagt Pogo.