Tiere sehen die Welt mit völlig anderen Augen
Krebse können Durchsichtiges sichtbar machen. Und das Vierauge kann simultan über und unter Wasser sehen. Wie anders die Welt erscheint, wenn wir sie durch Tieraugen betrachten.
Der Eindruck täuscht nicht: Stubenfliegen sehen die Fliegenklatsche wirklich kommen – und zwar in Zeitlupe. So bleibt ihnen genügend Zeit, die Fliege zu machen. Zu verdanken haben sie das ihrem Zeitlupenblick. Bei uns Menschen verschmelzen mehr als 18 Bilder pro Sekunde schon zu einem Bewegungsablauf, wohingegen Stubenfliegen noch ganze 250 Bilder in der Sekunde sauber voneinander trennen können. Der Vorteil: Auch schnellste Bewegungen kommen ihnen gähnend langsam vor, es bleibt ausreichend Zeit, auf das Wahrgenommene zu reagieren.
Viele Tiere haben den Blick für das Besondere, nicht nur die Stubenfliege. Sie sehen die Welt oft mit ganz anderen Augen als wir. Dennoch hat auch ihr optisches System seine Grenzen. Die Stubenfliege etwa sieht vieles im wahrsten Sinne des Wortes kommen – aber nur von vorn. Ihr Blick nach hinten ist längst nicht so gut und selbst ihr eigener Körper verdeckt einen Teil des Sehfelds der bis zu 3000 Einzelaugen, die zu Facetten zusammengefasst sind. Wer sich also von hinten nähert und dann auch noch richtig schnell ist, hat eine Chance, die Fliege zu überraschen.
Die Augen der Fliegen haben aber wie alle Facettenaugen der Insekten noch einen weiteren Nachteil: Feinste Details entziehen sich ihrem Blick. Bienen oder Hummeln etwa können die Feingliedrigkeit mancher Blüten nicht sehen. Das ist allerdings auch gar nicht notwendig, denn sie kompensieren dieses Manko etwa mit ihrem Blick für UVLicht. Während wir Menschen die ultraviolette Färbung vieler Blumen nicht einmal sehen können, liefert sie vielen Insekten doch wertvolle Informationen. Der für uns sichtbare Bereich des Lichts erstreckt sich über eine Wellenlänge von 380 bis 780 Nanometer, wohingegen der UV-Bereich jenseits der 380 Nanometer liegt.
Der andere für uns unsichtbare Bereich des Spektrums, das Infrarot, beginnt bei
780 Nanometern. Auch das können Tiere durchaus sehen, wie einige Schlangen etwa. Manche Schlangen, darunter die Grubenottern, haben ein spezielles Grubenorgan, mit dessen Hilfe sie die Infrarotstrahlung wahrnehmen können. Mehr noch: Durch die geschickte Anordnung der Rezeptoren am Kopf und die Verbindung mit dem optischen System ist es ihnen möglich, selbst in völliger Dunkelheit ein dreidimensionales räumliches Wärmebild zu sehen. Dieses Grubenorgan funktioniert so gut, dass die Tiere selbst Temperaturerhöhungen von nur 0,003 Grad Celsius wahrnehmen können.
Andere Tiere haben einen Blick für Magnetfelder. Viele von ihnen nutzen diese spezielle Fähigkeit, um sich am Erdmagnetfeld zu orientieren, wie zum Beispiel einige Zugvögel. Ähnlich verhält es sich mit dem polarisierten Licht des Himmels: Auch hier ist ein bestimmtes Muster zu erkennen, zumindest dann, wenn man ein Auge dafür hat, so wie Bienen etwa, die selbst anhand von Löchern in der Wolkendecke mit einem kleinen Ausschnitt des Himmels und somit einem winzigen Teilbereich des Polarisationsmusters am Himmel navigieren können.
Ihr Blick für polarisiertes Licht hilft auch den Fangschreckenkrebsen bei der Jagd. So wie Fotografen mit sogenannten Polfiltern diese Lichtwellen nutzen können, um etwa Verspannungen in durchsichtigen Materialien wie Plastik sichtbar zu machen, können auch Fangschreckenkrebse die durchsichtigen Körper und Flossen von Beutetieren förmlich zum Schillern bringen. Die ehemals hervorragend getarnten, weitgehend durchsichtigen und somit mehr oder weniger unsichtbaren Tiere werden so in den Augen des Krebses kunterbunt.
Der Lebensraum Wasser wirft aber auch ein optisches Problem auf, das sehr viel mehr Tieren zu schaffen macht. Schaut man nämlich von dem einen Medium in das andere hinein, so werden die Lichtstrahlen beim Eintritt abgelenkt und teilweise reflektiert. Das Bild, das sich so ergibt, erscheint etwas versetzt. Viele Fische müssen dies beachten, wenn sie aus dem Wasser hechtend nach Beuteinsekten schnappen wollen. Besonders geschickt haben die Vieraugen der Familie Anablepidae dieses Problem gelöst: Ihre beiden Augen sind jeweils noch einmal unterteilt mit einer horizontalen Trennwand. So entstehen ganze vier Augen mit jeweils eigener Pupille, die es den Tieren als einzige Wirbeltiere weltweit erlauben, gleichzeitig über und unter Wasser zu sehen.
Eine noch größere Herausforderung für den Wahrnehmungsapparat ist aber das Fliegen, vor allem der schnelle Jagdflug. Wanderfalken etwa stürzen sich mit weit mehr als 200 km/h auf ihre Beute. Dabei muss nicht nur die Informationsaufnahme durch die Augen, sondern auch die Weiterverarbeitung im Gehirn rasend schnell vor sich gehen. So haben die Greifvögel auch die schärfsten Augen im Tierreich. Ein Falke etwa kann eine Taube noch aus acht Kilometern Entfernung ausmachen. Der Mensch bräuchte für eine derartig beeindruckende Leistung ein starkes Fernglas.
Die Beutetiere hingegen fahren besser damit, auf einen möglichst perfekten Rundumblick zu setzen, um zu keiner Zeit und aus keiner Richtung überrascht werden zu können. Hasen haben ein Gesichtsfeld von nahezu 360 Grad, die nur erreicht werden können, weil sich die Augen an der Seite des Kopfs befinden. Bei Jägern hingegen sind die Augen vornehmlich nebeneinander nach vorn hin ausgerichtet. So können mit beiden Augen Entfernung und Position des Beutetiers im dreidimensionalen Raum exakter bestimmt werden.
Das andere Extrem ist das Chamäleon, das seine beiden Augen unabhängig voneinander bewegen kann und so zwei vollkommen verschiedene Bilder erhält, die sich zudem nicht einmal zu überdecken brauchen. Wie die Verarbeitung der aufgenommenen optischen Informationen im Gehirn vor sich geht, ist bis heute nicht geklärt.
Seinen ebenfalls ganz eigenen Blick auf die Welt wirft der nur 0,05 Millimeter kleine Einzeller Euglena mit den kleinsten und einfachsten Augen überhaupt, den sogenannten Augenflecken, die lediglich eine grobe Hell-Dunkel-Unterscheidung erlauben. Ausgerechnet dieses Tierchen wird Augentier und sogar Schönauge genannt.
Wie man eine Fliege am besten fangen kann Just das Augentier sieht besonders schlecht