„Dynamik war überraschend“
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erklärt die hohen Coronazahlen in seiner Stadt und erläutert, warum sich Wien demnächst an einem bekannten Vorstadtcafé beteiligen wird.
Eine Woche vor der Wiener Landtagsund Gemeinderatswahl hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Coronastrategie der Stadtverwaltung verteidigt. Die im Vergleich zu den anderen Bundesländern deutlich höhere Zahl an Neuinfektionen in Wien sei darauf zurückzuführen, dass Wien so viel teste, sagte er in der ORF„Pressestunde“. Außerdem stiegen die Infektionszahlen speziell in den Ballungszentren europaweit.
Laut den Sonntagmittag veröffentlichten Zahlen gab es in Österreich in 24 Stunden 714 Neuinfektionen, davon 249 in Wien. Ludwig betonte dennoch, dass Wien in Sachen Coronabekämpfung „sehr gut unterwegs“sei. Teilweise habe man sogar strengere Maßnahmen ergriffen, als der Bund vorschreibe, etwa bei Schulschließungen in Verdachtsfällen. Der Wiener Bürgermeister verwies auch darauf, dass das Personal zur Bekämpfung der Pandemie in Wien im Sommer deutlich aufgestockt worden sei.
Berichte, dass erkrankte Wiener dennoch tagelang auf einen Test warten müssen, quittierte Ludwig mit der Feststellung: „Einzelfälle gibt es immer.“Tatsache sei, dass es eben sehr viele Anrufe gebe. „Die Dynamik war überraschend, auch für die Experten“, so Ludwig. Und: „Wir wissen, dass wir schneller werden müssen.“
Was die wirtschaftlichen Folgen der Krise betrifft, verteidigte Ludwig die Strategie der Stadt, sich an Unternehmen, die ins Trudeln geraten sind, zu beteiligen. Nach einer
Mineralölhandelsgesellschaft und einem Schmuckhersteller wird sich die Stadt Wien demnächst auch an einem bekannten Vorstadtcafé beteiligen. Zu den zahlreichen Wiener Christkindlmärkten soll es nach der Wahl einen runden Tisch geben.
Apropos Wahl: Ludwig wünscht sich ein Ergebnis nahe jenem von 2015 – das wären knapp 40 Prozent. Mit wem er danach koalieren will, ließ er offen. Möglicherweise stellt sich die Frage gar nicht, denn zuletzt gaben die Demoskopen der Wiener SPÖ sogar gewisse Chancen auf die absolute Mehrheit.
Dass er nach gewonnener Wahl in Wien den Umbau der Bundespartei in Angriff nehmen werde, bestritt Ludwig. Pamela Rendi-Wagner werde weiterhin SPÖ-Chefin bleiben. Er erwarte sich in der Bundespartei keine Änderungen. Zu Gerüchten, dass einer der Wiener SPÖStadträte (genannt wurde immer wieder Finanzstadtrat Peter Hanke) an die SPÖ-Spitze wechseln könnte, sagte Ludwig: Er würde sich ungern von Leuten aus seiner Wiener Regierungsmannschaft trennen.
Ebenfalls in der ORF-„Pressestunde“war am Sonntag der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp zu Gast. Trotz Umfragen, die den Blauen einen Absturz von über 30 auf unter zehn Prozent vorhersagen, zeigte er sich optimistisch, was die Wahl betrifft. Inhaltlich setzt Nepp ganz auf das Ausländerthema. Teile von Wien – etwa Favoriten – glichen einem Pulverfass, das jederzeit hochgehen könne, warnte er. In Favoriten war es kürzlich zu Gewalt zwischen Türken und Kurden gekommen.
Obwohl die Wahl erst am Sonntag stattfindet, haben viele Wiener bereits per Wahlkarte gewählt. Wien verzeichnet heuer einen Rekord an Briefwählern. Mittlerweile wurden rund 340.000 Wahlkarten ausgegeben. Das heißt, mehr als ein Drittel der Wähler werden ihre Stimme nicht in den Wahllokalen abgeben. Das Wahlergebnis dürfte daher erst am Dienstag nach der Wahl vorliegen.