Ein Sommer auf der Corona-Achterbahn
Dieser Sommer wird anders. Corona macht keinen Urlaub. Jetzt ist statt Emotionen eine neue Sachlichkeit gefragt.
Auf keinen Fall wird dieser Sommer so, wie er früher einmal war. Größere Urlaubsreisen sind gestrichen. In viele Gegenden der Welt kommt man gar nicht hin, in viele will man auch nicht. Da wäre noch die Heimat. „Österreich ist schön, komm, bleib“, heißt es in einem alten Werbeslogan. Kein Mensch konnte wissen, dass es mit dem propagandistischen Imperativ einmal so ernst wird.
Die Corona-Achterbahn, auf der wir seit Anfang März dahinrauschen, hält abwechselnd Hochs und Tiefs für uns bereit. Am Anfang waren und wurden wir schwer verängstigt. Kaum jemand von uns hat im März oder April an einen „normalen Sommer“mit Billigflieger, Ferienhaus, Jesolo, Sonne und Meer gedacht.
Doch dann sanken die Infektionszahlen. Und mit ihnen die Bereitschaft der Menschen, sich länger an einschneidende Verhaltensregeln zu halten. Die Regierung setzte auf Eigenverantwortung statt Sanktionen und gab die Bahn frei für epidemiologische Aerosolwolken über Österreich. Grenzen auf, Masken weg, Zusammenrücken statt Abstand, so als ob nie etwas gewesen wäre.
Beinahe ganz Österreich wollte die schwelende Gefahr durch ein Virus nicht mehr wahrhaben, die Gedanken daran einfach wegdrücken. Von da an blieb der Hausverstand bei vielen zu Hause. Jetzt haben wir wieder Covid-Glutnester, ja sogar einzelne Flächenbrände. Wir beschleunigen nach dem Zwischenhoch wieder in Richtung Talsohle. Die Rückkehr von der kurzfristig empfundenen „alten“zur „neuen“Normalität ist hart.
Das bekommen auch die Politiker zu spüren. Die Beliebtheitswerte der Regierung sinken. Ein Riss geht durch die Bevölkerung. Die eine Hälfte will weiterhin strenge Schutzmaßnahmen, die andere ist davon überzeugt, dass es Corona gar nicht gibt. Da hilft nur, dass wir endlich Emotionalität durch Sachlichkeit ersetzen.
Die Abschaffung der Maskenpflicht ist für viele zu früh gekommen. Selbst wenn die Schutzwirkung des Mund-Nasen-Schutzes bis zuletzt wissenschaftlich umstritten war: Masken im Gesicht haben nicht nur eine medizinische Wirkung, sondern vor allem eine gewaltige
Wir brauchen nicht gleich die Polizei
Symbolwirkung. Seht her, wir befinden uns noch in einem besonderen Zustand. Wir leben nicht in der Normalität, nach der wir uns alle sehnen. Wir halten Abstand und zeigen das auch. Wir schützen unser Gegenüber und damit auch uns selbst. Denn ohne diese Dinger im Gesicht, die uns extrem lästig sind, bringen wir zum Ausdruck: Alles ist gut. Dementsprechend verhalten wir uns auch.
Wir sind eine kommunikationsfreudige, offene Gesellschaft. Aufeinander zugehen passt besser zu uns als Abstand halten. Daher tun wir uns auch so schwer mit dieser Maskerade. Aber sie ist manchmal notwendig.
Es ist also überhaupt nichts dabei, einen Mund-Nasen-Schutz auch dann zu tragen, wenn er nicht behördlich vorgeschrieben ist. Immer dort, wo man sich damit sicherer fühlt, und auch dort, wo man besondere Rücksicht auf Mitmenschen nehmen möchte.
Masken tragen ist unangenehm, aber es tut nicht weh. Und es zeigt erstens, dass wir das Wort Eigenverantwortung tatsächlich verstehen. Zweitens, dass wir in Österreich nicht für alles ein Gesetz und dahinter die Polizei brauchen, um es durchzusetzen. Drittens, dass wir tatsächlich noch „mit“und nicht bereits „nach“Corona leben.
Auf Anraten von Experten hat die Politik den Mund-Nasen-Schutz anfangs nicht besonders ernst genommen, ihn dann aber doch allen verordnet und ihn plötzlich wieder verworfen. Offenbar hat sich die Vorgangsweise stärker an der Stimmung der Wahlberechtigten als an epidemiologischen Kriterien orientiert.
Die Regierung ist nicht nur wegen überheblich wirkender Auftritte vor dem Untersuchungsausschuss des Nationalrats außer Tritt geraten. Erschwerend hinzu kommen die bürokratischen Hilfsaktionen für die Wirtschaft und gesundheitspolitische Ho-ruck-Aktionen, die für Laien schwer nachvollziehbar sind.
Jetzt ist mehr denn je Eigenverantwortung gefragt. Auch tief durchatmen statt schnappatmen hilft auf dem Weg zur neuen Sachlichkeit. Dann werden wir auch diesen Sommer zumindest ein bisschen genießen können.