BP und Shell schreiben zweistellige Milliardensummen ab.
vom Beratungsunternehmen Wood Mackenzie in der Londoner „Financial Times“: „Aber es gibt keinen Zweifel: Die Konzerne sind in die Dämmerungszone eingetreten.“
Die Summe der gefährdeten Werte in der Energiebranche wird auf bis zu vier Billionen (viertausend Millionen) Euro geschätzt. Der Börsenwert aller weltweit gelisteten Öl-, Gasund Kohleunternehmen beträgt laut FAZ noch rund sechs Billionen Dollar. Zum Vergleich: Das Budget- und Coronapaket der Europäischen Union für die nächsten sieben Jahre wird 1,85 Billionen Euro umfassen.
Viele Vorstände rechnen damit, dass die Folgen der Coronakrise den Wechsel zu einem klimafreundlichen Energiesystem beschleunigen werden. Die britische Denkfabrik Climate Tracker, ein Spezialist für die Einschätzung von Klimarisiken, geht von einer Änderung der Bewertungen aus: Die Unternehmen würden mehr und mehr prüfen, ob ihre Projekte in eine Welt mit einem geringen CO2-Abdruck passen könnten.
Bei den Investoren macht sich inzwischen Nervosität breit. Es geht immerhin um ihr Wichtigstes: das Geld. Je rascher, radikaler und erzwungener die Abkehr von den fossilen Brennstoffen erfolgt, desto größer sind ihre Risiken. Sieht sich die Politik veranlasst, auf Druck der Bevölkerungen oder nach Naturkatastrophen ihre Versprechen rigoros umzusetzen und etwa binnen kurzer Zeit hohe CO2-Abgaben einzuführen, könnten Anleihen und Aktien der fossilen Industrien abstürzen. Schon ist die Rede von einer „Kohlenstoff-Blase“.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die „Divestment“-Bewegung an Fahrt. Divestment, zu Deutsch: Desinvestition, fordert den Abzug von Geld aus klimaschädlichen Unternehmen. Der norwegische Pensionsfonds, der eine Billion Dollar verwaltet, hat vor wenigen Wochen seine Beteiligungen am deutschen Energiekonzern RWE und am RohstoffMulti Glencore abgestoßen – beide verstießen gegen die Kohle-Richtlinien des Fonds.
Laut Auflistung der NGO „Divest Invest“haben bislang 1218 Organisationen mehr als zwölf Billionen Dollar aus klimafeindlich agierenden Unternehmen aller Branchen abgezogen. In einer Umfrage bei 33 Zentralbanken und Regulierungsbehörden bezeichneten laut Medien 70 Prozent die Erderwärmung als „große Bedrohung“für die Finanzstabilität.
Die „Stranded Assets“sind ein greifbares Beispiel. In Europa ist die Kohle ein Paradefall. Deutschland verabschiedet sich 2038 aus dem Abbau, das Immer-noch-Kohleland Polen kämpft mit sinkenden Abnahmepreisen. Die noch im Boden steckenden riesigen Kohlereserven verlieren rapide an Wert, im Fall von Deutschland sind sie in spätestens 18 Jahren bei null.
Um dem Schicksal ihrer Kollegen aus der Kohlebranche zu entgehen, müssen sich die Öl-Multis neu erfinden. Manche wollen in die Windbranche, andere setzen eher auf Batterietechnologie. Vorerst investieren sie trotz aller Rhetorik immer noch mehr Geld in ihrer altes Modell als in saubere Geschäfte. Doch im fossilen Sektor ist bestenfalls Stagnation zu erwarten. Wachstum sei nur bei erneuerbaren Energien in Sicht, meinen die Berater von Wood Mackenzie. Längerfristig gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Konzerne investieren die Gewinne aus dem noch laufenden Öl- und Gasgeschäft in ihre Transformation. Oder sie schütten das Geld aus – und verschwinden irgendwann.