Wenn selbst Christoph Waltz nicht mehr hilft
Vor drei Monaten startete das Streamingportal Quibi – mit innovativem Ansatz, Stars und viel Geld. Dennoch droht das Projekt zu scheitern.
LOS ANGELES. Dodge Tynes (Liam Hemsworth) leidet an einem Hirntumor. Parallel erfährt er, dass seine Frau schwanger ist. Eine fatale Situation. Doch möglicherweise gibt es einen Ausweg: Miles Sellars (Christoph Waltz) stellt Dodge eine Millionensumme in Aussicht. Für eine Therapie. Oder zumindest als Hinterlassenschaft für seine Familie. Dafür muss Dodge aber bei einer Großwildjagd mitmachen. Bei einer, bei der er selbst die Beute ist.
Die Serie „Most Dangerous Game“ist die wohl prominenteste Produktion des Streamingdiensts Quibi. Seit Anfang April gibt es die Video-auf-Abruf-Plattform. Das Besondere an Quibi: Shows, Serien, Filme werden in maximal zehn Minuten langen Episoden an den Nutzer gebracht. Dazu ist jede Produktion so ausgerichtet, dass sie nahtlos sowohl im Hoch- als auch im Querformat geschaut werden kann.
Hinter der Plattform stehen ExDisney-Manager Jeffrey Katzenberg und die frühere Ebay-Chefin Meg
Whitman. Ihnen ist es wohl zu verdanken, dass Quibi zum Start ein Investment von 1,8 Milliarden Dollar lukrieren konnte. Und Stars wie Leonardo DiCaprio oder Steven Spielberg exklusive Inhalte liefern.
Diese Woche wurde Quibi drei Monate alt. Und trotz aller Besonderheiten fällt die Bilanz ernüchternd aus: Laut US-Analysten zählt der Dienst aktuell 500.000 bis 600.000 zahlende Nutzer. Das Ziel für 2020 lag bei 7,5 Millionen. Und zum Vergleich: Disneys Streamingplattform Disney+ kommt nach fünf Monaten auf 50 Millionen User. Ein Quibi-Abo kostet in Österreich übrigens 9 Euro monatlich.
Die Grundidee sei keine schlechte, sagt Marcus Kleiner, Professor für Medienwissenschaften an der SRH Berlin University of Applied Sciences. Im Grunde wolle Quibi die Lücke zwischen YouTube und Netflix schließen – kurz wie so manches YouTube-Video, aber qualitativ hochwertig wie Netflix. Zudem mache sich Quibi das zu eigen, was Plattformen wie Twitter oder Instagram schon länger vorlebten: Bei kurzer Verweildauer und kurzen Aufmerksamkeitsspannen brauche es auch kurze Formate. „Alles, was lange dauert, schaut sich auf diesen Plattformen keiner an.“
Aber warum zündet das QuibiKonzept dennoch nicht? Zum einen seien Streamingnutzer nicht besonders treu: „Es wird viel gewechselt. Einen Monat ist man auf Netflix, dann wieder auf Prime“, sagt Kleiner. Zum anderen dürfe man vor allem bei cineastischen Produkten die Lust an der guten – und gern auch langen – Geschichte nicht unterschätzen: „Ja, die Lust an professionellen Storys, die Lust, mitgenommen zu werden, ist zumindest bei manchen Formaten spürbar.“Wie ist es also um die Zukunft von Quibi bestellt? Kleiner glaubt, das Portal könne durchaus am Markt bleiben. Aber: „Es wird ein Add-on sein (ein Zusatz, Anm.) – und sicher nicht so stark wie etwa Netflix.“