Draußen und drinnen
Die Vögel fliegen wie die Fliegen, einfach herum und doch nicht dumm. Sie sausen in die Bäume rein, stoßen nicht an und setzen sich. Sie können das, verletzen nicht sich selbst, den Wurm allerdings schon, genau so wie das Kleinstvieh, das der Vogel in sich reinzieht. Ja, jeder macht, was ihn erhält, dieses Prinzip erhält die Welt. Die einen werden durch die andern satt, einer gewinnt, der andre ist schachmatt.
Ob das der liebe Gott so wollte? Man würde ihn ja gerne loben, doch dass Zusammen oft mehr Toben als nettes Miteinander ist und man die Nachbarsgunst vermisst, das kann auch er nicht übersehn. Fällt ihm was ein? Ah, das wär schön!
Bis dahin sollte man doch beim Entgegnen einander freundlicher begegnen, das muss doch gehen, mein lieber Mensch, muss man erst drauf bestehen? Man muss es aber nicht nur sollen, das klappt nur, wenn es alle wollen und dann auch tun, im Bett, im Sessel, drin oder draußen, wo auch immer, sind wir nicht freundlich, wird es schlimmer, und grad das müssen wir verhindern: Helft euren Alten und den Kindern, die sind auf Hilfe angewiesen, beim Stolpern und Coronaniesen.
Ich schau auch einmal zu den Vögeln, die draußen grad vorübersegeln, von links nach rechts, von Ost nach West, im Schnabel Bauzeug für ihr Nest. Sie überlassen sich der Brunft, und das heißt, einfach der Zukunft. Uns überzeugt ihr Zeitvertrauen und dass sie auf den Frühling bauen. Letztlich sind Vögel auch nur Menschen, die gern mal vögeln, na und wenn schon.
Denn dass aus allem etwas wird, was man so tut, wäre geirrt, vieles verpufft auf seine
Art. Die frische Luft erheitert zart, und wer nicht glaubt, dass kleine Fenster ein Schlupfloch sind für die Gespenster, der öffnet und atmet die Luft, erschrickt nicht und nimmt teil am Draußen und ebenso am schönen Duft, den die Natur durch Blüten gibt. Wir glauben gern, dass sie uns liebt. Doch die Natur kann auch nicht alles, und weil das nun einmal der Fall ist, haben die Menschen viel erfunden, womit sie ihre Welt erkunden: das blickerweiternde Fernrohr und die Verlautbarung fürs Ohr. Zudem das Auto und die Bahn, die uns fast überall hinfahrn.
Jetzt regnet es, die nasse Fessel, die zwingt ins Zimmer, Bett und Sessel, aber – eh ich so weiter laber – : Es gibt TV und Plattenspieler, viel Dideldum und dumme Dealer. Und es gibt, Gott sei Dank, die Bücher, die wärmen uns wie dicke Tücher, sie zeigen und erzählen, wobei sie nicht verhehlen, wie sich so unsre Welt verhält. Sie ziehen uns in sich hinein, ob wir das wollen oder nicht, auf einmal ist die Freude dicht und lässt uns nicht mehr aus den Seiten. Bücher von gestern zeigen Leute, die sich verhalten wie von heute: Der Mensch ist, wie er immer war, das wird schon aus der Bibel klar.
Und auch die großen alten Griechen hatten erfahren, wie wir siechen, und aufgeschrieben, was sie dachten, womit sie uns fast klüger machten. Sie zeigten uns, dass erst Gedanken, die sich um die Erfahrung ranken, das menschliche Zusammensein erkennund lenkbar machen. Sie meinten’s ernst und nicht zum Lachen. Und mit den Denkern kamen auch die Dichter, die setzten in die Sätze Lichter, die zeigten, dass es nicht egal ist, wie man sein Wissen formuliert, weil man auch nach Empfindung giert. Alle, die Kunst geschrieben haben und uns mit ihren Texten laben, zeigen, dass das Gelungene beglückt wie das Gesungene, entzückt, erweitert und erheitert und aus dem Lebenskeller leitert.
Jochen Jung ist Verleger und Schriftsteller.