Es braucht dringend einheitliche Standards
Zu den SN vom 3. 4., Seiten 1 und 2, „Zu wenig Schutz für Ärzte und Pfleger im Kampf gegen Corona“.
Wie die Coronakrise derzeit mehr als deutlich beweist, hängt das Wohlergehen der ganzen Gesellschaft vom klaglosen Funktionieren des Gesundheitssystems ab. Die wesentlichste Aufgabe der politisch Verantwortlichen in einer solchen Krise besteht darin, die Angehörigen der Gesundheitsberufe vor Erkrankung und in der Folge vor Arbeitsunfähigkeit zu schützen, was letztlich der Gesamtbevölkerung zugutekommt. Eine Pandemie macht aber nicht an Staatsgrenzen halt, daher ist selbst eine europaweite Kooperation noch nicht völlig ausreichend.
Als seit 30 Jahren im Gesundheitswesen tätiger Jurist, davon seit über 20 Jahren im AKH Wien, derzeit als Stabsstellenleiter in der Ärztlichen Direktion, weiß ich nur zu genau, was zu tun ist, und habe dies auch schon – allerdings von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen – gefordert: Da selbst gut etablierte nationale Gesundheitssysteme rasch an ihre Grenzen stoßen können, braucht es europaweite Mindeststandards, etwa für die Ausstattung mit Schutzbekleidung und die Lagerhaltung von Desinfektionsmitteln. Dann bräuchte man diese nicht mit Sonderflügen verspätet und öffentlichkeitswirksam ins Land zu bringen.
Um diese Mindeststandards auch effektiv überprüfen zu können, bedarf es einer noch zu etablierenden europäischen Behörde (ich nenne sie einfach „European Agency for Health Care Safety“) mit weitreichenden Durchgriffsrechten, die im Sinne des oben Gesagten primär bei der Sicherheit des Gesundheitspersonals ansetzen sollte, da hier die Gesundheitssysteme am verwundbarsten sind. Was in der Luftfahrt rechtlich schon lang möglich ist (etwa die Mindestanzahl von Flugbegleitern abhängig von der Passagierzahl), sollte erst recht in der Gesundheitspolitik zu verwirklichen sein, ist doch jeder, wirklich jeder ein möglicher Betroffener.
Dr. iur. Leopold-Michael Marzi, Stabsstellenleiter in der Ärztlichen Direktion des AKH Wien, 1190 Wien