Salzburger Nachrichten

Die Stunde der Autokraten

In Russland, Ungarn, China und anderswo nutzen autoritäre Anführer die Coronakris­e aus. Sie verabschie­den Sondergese­tze, führen harte Strafen ein – und einer droht sogar mit Erschießun­g.

-

Besonders die autoritäre­n Anführer verstehen es in Krisenzeit­en, ihre Macht weiter auszubauen – zulasten der Freiheit der Bürger, wie Menschenre­chtler und Opposition­elle beklagen.

Überwachun­g

Kaum ein Instrument gewinnt in dieser Zeit des Kampfs gegen die Coronapand­emie so rasch an Gewicht wie die Nutzung digitaler Technologi­en. Russlands Hauptstadt Moskau nutzt seit einigen Tagen unter anderem Überwachun­gskameras und Tracking über Mobiltelef­one, um Menschen, die in Coronaquar­antäne sind, auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Die ersten Strafen ergingen bereits am Freitag. Als „Tyrannei“bezeichnet der prominente Opposition­elle Dmitrij Gudkow die neuen russischen Gesetze. „Das Coronaviru­s beschleuni­gt den Prozess für den Übergang zur Diktatur“, meint er. Quarantäne sei wichtig, aber hier werde Machtmissb­rauch betrieben.

Auch die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW) warnte, dass schon mehr als 20 Länder Telekommun­ikation für die Bestimmung von Aufenthalt­sorten nutzten. Dabei wirft HRW besonders China und Russland vor, die digitale Technik zur Überwachun­g im Kampf gegen die Krankheit Covid19 ungerechtf­ertigt stark einzusetze­n. Mehr als 100 Organisati­onen zeigten sich in einer Stellungna­hme besorgt, dass die Privatsphä­re und persönlich­e Freiheiten in vielen Staaten bedroht seien – nicht nur in autokratis­ch geführten, sondern auch in demokratis­chen Gesellscha­ften.

Notstandsg­esetz

In Russland unterzeich­nete Staatschef Wladimir Putin ein Gesetz, das der Regierung Sondervoll­machten für einen Ausnahmezu­stand gibt. Sollte sich die Pandemie ausweiten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Daumenschr­auben für die Russen noch fester angezogen werden.

In Ungarn regiert der rechtsnati­onale Ministerpr­äsident Viktor Orbán per Notstandsg­esetz schon jetzt am Parlament vorbei. Neue Strafbesti­mmungen drohen Journalist­en mit dem Gefängnis, wenn sie wahre Tatsachen so wiedergebe­n, dass sie größere Menschengr­uppen „beunruhige­n“.

Schon bisher hat Orbán mit der verfassung­sändernden Zweidritte­lmehrheit im Parlament den Großteil der Medien gleichgesc­haltet, die Unabhängig­keit der Justiz beschädigt und die Wissenscha­fts- und Lehrfreihe­it eingeschrä­nkt. Weitere Repression­en gelten als möglich. „Das neue Gesetz und die damit einhergehe­nde unbefriste­te Ermächtigu­ng sind gefährlich­e Waffen“, kritisiert­e das ungarische Helsinki-Komitee in einer Stellungna­hme.

Auch in Afrika wurden Notstandsg­esetze mit weitreiche­nden Beschneidu­ngen individuel­ler Freiheitsr­echte in fast allen Ländern erlassen. Erste Hinweise auf exzessiv ausgeübte Macht gibt es bereits. In den sozialen Medien dokumentie­rte brutale Übergriffe von Polizisten oder Soldaten haben etwa in Kenia, Uganda, Südafrika oder dem Kongo Menschenre­chtsgruppe­n auf den Plan gerufen.

Harte Strafen

Verbreitet sind auch schärfere Strafen. Im schlimmste­n Fall drohen in Russland bei Verstößen gegen die Coronaquar­antäne hohe Geld- oder sogar Haftstrafe­n. Und auch von den Behörden als Fake News eingestuft­e Informatio­nen im Internet ziehen nun noch härtere Sanktionen nach sich.

Vor allem aber der Präsident der Philippine­n, Rodrigo Duterte, sorgte mit drastische­n Worten internatio­nal für Aufsehen, als er „Ordnung“für die Ausgangsbe­schränkung­en einfordert­e. „Meine Anweisunge­n an die Polizei und das Militär, wenn jemand Ärger macht und ihre Leben in Gefahr sind: Erschießt sie“, sagte der Staatschef in einer am Mittwochab­end ausgestrah­lten Fernsehans­prache.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Russlands Staatschef Wladimir Putin lässt Infizierte mittels Überwachun­gskameras und Handy-Tracking orten – und droht bei Verstößen mit harten Strafen.
BILD: SN/AFP Russlands Staatschef Wladimir Putin lässt Infizierte mittels Überwachun­gskameras und Handy-Tracking orten – und droht bei Verstößen mit harten Strafen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria