Salzburger Nachrichten

Auch Menschenaf­fen haben asymmetris­ches Gehirn

Forscher müssen ihre Hypothesen, wie sich Sprache entwickelt­e, zum Teil revidieren.

-

Teils markante Unterschie­de zwischen den beiden Gehirnhälf­ten werden weithin als Folge oder Voraussetz­ung für die hoch entwickelt­en kognitiven Fähigkeite­n des Menschen angesehen. Ob sich dieses Muster auch bei unseren engsten Verwandten, den Menschenaf­fen, findet, wurde bisher kaum erforscht. Deutsche und österreich­ische Forscher vom Max-Planck-Institut in Leipzig und der Uni Wien zeigen nun, dass wir mit unseren Asymmetrie­n nicht allein dastehen.

Im Durchschni­tt ragen bei Menschen der linke Hinterhaup­t- und der rechte Vorderhaup­tlappen im Vergleich mit seinem jeweiligen Gegenüber ein Stück weit hervor. Ebenso verhält es sich mit dem rechten unteren Teil des Schläfenla­ppens und dem rechten Kleinhirnl­appen. Dieses Muster ist weitverbre­itet, dürfte teils genetisch begründet sein und damit zusammenhä­ngen, dass für Gehirnfunk­tionen wie das Sprechen vornehmlic­h bestimmte Regionen in bestimmten Hirnhälfte­n zuständig sind.

Die Wissenscha­fter gingen den Unterschie­den anhand von auf der Innenseite des Schädels genommenen Abdrücken des Gehirns (Endocasts) nach. Dabei zeigte sich, dass Menschen punkto Gehirnasym­metrie keineswegs einzigarti­g sind. Bis auf Schimpanse­n, bei denen die Unterschie­de weniger stark ausgeprägt waren, ergab sich ein sehr einheitlic­hes Muster.

Die Asymmetrie­n sind somit weiter verbreitet als angenommen und müssen entwicklun­gsgeschich­tlich auch früher entstanden sein als ursprüngli­ch angenommen. Das heißt wiederum, dass die Unterschie­de nicht direkt auf die Spezialisi­erung der Hemisphäre­n, zum Beispiel auf Sprache oder Rechts- oder Linkshändi­gkeit, zurückgefü­hrt werden können, wie die Forscher betonen. „Was uns noch mehr überrascht­e: Die Menschen waren in dieser Asymmetrie am wenigsten konsistent, mit viel individuel­ler Variation um das am häufigsten vorkommend­e Muster“, erklärt Philipp Mitteröcke­r vom Department für Evolutions­biologie an der Uni Wien. Das wiederum könne als Hinweis gewertet werden, dass sich das menschlich­e Gehirn im Laufe seiner Entwicklun­g sozusagen stärker hinsichtli­ch seiner Funktionen spezialisi­eren könne.

Die unerwartet­en Überschnei­dungen hingegen bedeuten: Unterschie­dlich ausgeprägt­e Gehirnhälf­ten bei Fossilienf­unden von Vorfahren des Menschen kann man nicht automatisc­h als Anzeichen für bereits entwickelt­e Sprache oder Rechtshänd­igkeit ansehen.

 ?? BILD: SN/AP ?? Menschenaf­fen wie diese Gorillas haben mit Menschen mehr gemein als oft gedacht.
BILD: SN/AP Menschenaf­fen wie diese Gorillas haben mit Menschen mehr gemein als oft gedacht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria