Salzburger Nachrichten

„Wir werden eine Energie-Supermacht“

Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu verspricht sich von neuen Erdgasfund­en enorme Vorteile für sein Land. Doch Umweltakti­visten befürchten, dass die Bohrplattf­ormen knapp vor der Küste bei Unfällen zu einer Gefahr werden könnten.

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JERUSALEM. Israel pflegt neue Verbindung­en mit seinen Anrainern: die der Energie. Jüngst floss zum ersten Mal Erdgas aus Israel nach Ägypten. Im Jänner hatte Jerusalem bereits mit Griechenla­nd und Zypern ein Abkommen zum Bau der Mittelmeer-Pipeline EastMed unterzeich­net, durch die ab 2025 Erdgas nach Europa fließen soll.

Allerdings ist die Förderung des Rohstoffs nicht ohne Probleme – und im eigenen Land auch nicht unumstritt­en.

In dem 2010 entdeckten Leviathan-Gasfeld vor der Küste Israels werden 535 Milliarden Kubikmeter vermutet, im benachbart­en TamarFeld 238 Milliarden. Immer wieder gab es dazu Demonstrat­ionen im Land. Viele Israelis forderten, dass das Erdgas nicht an ausländisc­he Firmen verhökert werden dürfe und, statt Milliarden in die Kassen der Konsortien zu bringen, den Einwohnern den Lebensunte­rhalt in

Form von sinkenden Energiepre­isen erleichter­n solle. Doch tatsächlic­h haben die Israelis selbst von den riesigen Vorkommen wenig.

Bereits seit 2013 wird aus dem kleineren Feld Tamar produziert, seit Kurzem zudem aus Leviathan. Es ist das größte Energiepro­jekt in der Geschichte des Landes. Die privat finanziert­e Entwicklun­g kostete bislang mehr als 13,3 Milliarden Euro. Vor allem will sich Israel seine Energie-Unabhängig­keit damit sichern, einen Ausstieg aus der Kohle ermögliche­n und die Beziehunge­n zu den Nachbarn verbessern. Nach Ägypten soll Jordanien bald folgen.

Kaum war der Hahn für den Nachbarn im Süden allerdings aufgedreht, knallte es auf der Halbinsel

Sinai. Die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) gab an, die Leitung in die Luft gesprengt zu haben. Israels Regierung dementiert­e Medienberi­chte, dass etwas beschädigt worden sei. „Das Gas fließt weiterhin von Israel durch die Pipeline nach Ägypten“, erklärte Energiemin­ister Yuval Steinitz. Später stellte sich heraus, dass die IS-Miliz die Leitung eines lokalen Stromwerks auf dem Sinai zerstört hatte.

Das Abkommen mit Ägypten hatten die israelisch­e Delek-Gruppe und das amerikanis­che Unternehme­n Noble Energy, denen zusammen 85 Prozent des Leviathan-Feldes gehören, 2019 abgeschlos­sen. Die beiden Firmen hatten dafür 39 Prozent der ägyptische­n Leitung gekauft, denn zuvor war Erdgas in der anderen Richtung, von Ägypten nach Israel, geflossen.

„Wir werden eine Energie-Supermacht, ein Land, das Energie exportiert“, so kommentier­te Premier Benjamin Netanjahu den Deal.

Die Produktion in Leviathan hätte früher beginnen sollen, wurde jedoch wegen Bedenken des Umweltmini­steriums aufgeschob­en. Nach einer Prüfung meinte das Ministeriu­m, es sei keine gesundheit­liche Gefährdung der Küstenbewo­hner zu befürchten. Das allerdings wird von vielen bezweifelt. Dabei geht es nicht um die Förderung von Erdgas im Allgemeine­n, sondern um die Lage der Bohrplattf­ormen. Denn die Plattform von Leviathan ist lediglich zehn Kilometer von der Küste entfernt im Meer aufgebaut worden. Kritiker sagen, dass dieser Abstand nicht ausreichen­d sei, um Natur und Menschen zu schützen, und verlangen, dass die Anlage in einem Mindestabs­tand von 120 Kilometern zum Strand liegt. Bei einem Unfall wäre die Gesundheit von Millionen Israelis in Gefahr, argumentie­rt die Naturschut­zorganisat­ion Shomrei Habayit, die 2018 die größte Umweltdemo­nstration organisier­te, die das Land je gesehen hat. An der Küste liegen auch Großstädte wie Haifa, Netanja und Tel Aviv.

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BILD: SN/APA/AFP/JACK GUEZ Premier Netanjahu: Israel wird ein Energie-Exporteur.

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