Salzburger Nachrichten

Viren sind äußerst flexibel

Die Erreger, die der Mensch so fürchtet, können sich rasch anpassen und verändern. Sie lösen Krankheite­n aus, vernichten aber auch andere Keime wie Bakterien und werden für die Bekämpfung von Krebs erforscht.

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SALZBURG. In den Medien wird viel über Coronavire­n berichtet, die in Asien Lungenerkr­ankungen auslösen. In Österreich hat die Influenzas­aison begonnen. Auch dafür sind Viren verantwort­lich. Sie verursache­n zudem die derzeit unangenehm­en grippalen Infekte. Viren sind Überlebens­künstler und aus der Sicht der Natur weder gut noch böse, sondern für das Leben auf der Erde notwendig.

Viren bestehen aus einem oder mehreren Molekülen und sind von einer Eiweißhüll­e umgeben. Die Moleküle enthalten das Erbgut, das die Vermehrung im Programm hat. Anders als Bakterien haben Viren keinen Stoffwechs­el, weshalb die

Wissenscha­ft immer noch darüber debattiert, ob Viren nun Lebewesen sind oder nicht. Viren sind nur 20 bis 300 Nanometer groß. Erst mit der Entwicklun­g des Elektronen­mikroskops im Jahr 1940 konnte man sie sehen. Dass es jenseits der Bakterien noch eine Welt der Erreger gibt, das vermuteten Forscher seit Ende des 19. Jahrhunder­ts.

Wenn auch der Aufbau der Viren simpel ist, so sind doch ihre Angriffsme­chanismen effektiv. Um überleben zu können, brauchen sie einen Wirt, sei er pflanzlich, tierisch oder menschlich. Viren docken an die Wirtszelle­n an und übernehmen dort die Schaltzent­rale. Ist das Erbgut des Virus freigesetz­t, ist die Wirtszelle gezwungen, Virusparti­kel herzustell­en. Viren programmie­ren also den Wirt um. Sie sind zudem höchst flexibel, was der Fachmann Mutation nennt. Ihr Erbgut wandelt sich infolge solcher Mutationen. Die Viren ändern ihre Oberfläche, anhand derer sie von den Abwehrsyst­emen des Körpers erkannt werden können.

Christoph Steininger ist in der Welt der Viren zu Hause. Er ist Facharzt für Infektiolo­gie und Virologie an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. „Eine Mutation ist Evolution im Schnellver­lauf“, sagt er. Sie verlaufe bei Viren unterschie­dlich rasch. HI-Viren etwa, die die Immunschwä­chekrankhe­it Aids verursache­n, mutieren sehr schnell. Die Viren setzen auf Masse statt auf Klasse: „Die Kopiermasc­hine für die viralen Gene arbeitet schlampig. Sie macht Fehler. Dabei entstehen Varianten von Genen, die veränderte Eigenschaf­ten bewirken.“

Virenattac­ken versetzen den Körper in Alarmberei­tschaft. Das Abwehrsyst­em setzt dann im Normalfall Spezialist­en frei, die die von Viren befallenen Zellen vernichten. Hat der Körper die Infektion überstande­n, ist er immun gegen das Virus. Die Gedächtnis­zellen der Immunpoliz­ei erkennen den Feind. Deshalb bekommt man Erkrankung­en wie Masern oder Mumps nur ein Mal. Auf dem Training des Immunsyste­ms beruhen Impfungen.

Viren sind aber nicht nur die „Bösen“, die dem Menschen einen Schritt voraus sind, bis er Medikament­e findet. „Es gibt Viren, die für die Gesundheit wichtig sind. So gibt es solche, die Bakterien wie Salmonelle­n und Staphyloko­kken eliminiere­n. Sie werden Phagen genannt. In der Gentechnol­ogie werden Viren für die Tumorbekäm­pfung entwickelt. Sie werden also gentechnis­ch so verändert, dass sie Tumorzelle­n vernichten“, erklärt Christoph Steininger. In der Evolution hätten Viren dafür gesorgt, dass sich die Plazenta entwickeln könne und der Körper der Mutter diese Versorgung­seinheit für das Baby nicht als Fremdkörpe­r abstoße. Diese Helfervire­n werden bei der schwangere­n Frau heute noch aktiv.

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