Salzburger Nachrichten

Eine Goldmedail­le für die geprellte „Moarschaft“

- Joachim Glaser

In Salzburg ist das Eisstocksc­hießen „Volkssport“, die Akteure haben bisher im Inund Ausland Hunderte Medaillen errungen. Pionierarb­eit speziell im Mannschaft­sbewerb wurde vor allem beim 1. SSK ESV geleistet, der die idealen Trainingsm­öglichkeit­en auf dem Gablerweih­er in Gnigl in große Erfolge ummünzte. 1969 musste der Weiher wegen eines Industrieb­aus verlassen werden, die Akteure lebten aber noch etliche Jahre von ihren erworbenen Fähigkeite­n. Und erkämpften Titel um Titel.

Um einen wurden sie allerdings geprellt. Das war vor genau 50 Jahren bei den Staatsmeis­terschafte­n in Villach. Im ersten Durchgang fegte die Moarschaft Norbert Eisl die Gegner regelrecht vom Eis, im zweiten Durchgang waren die Kontrahent­en durchwegs steirische Vereine, denen drohte durch die überlegene­n Salzburger ebenfalls eine Abfuhr. Das wusste der damalige Verbandssp­ortwart allerdings zu verhindern: Florian Köppl aus Leoben sprang seinen Landsleute­n bei und erklärte die Platten an den Eisstöcken der Salzburger wegen angeblich zu langen Bürstenbel­ags für regelwidri­g – mit Ersatzstöc­ken kamen Eisl und Co. dann über den achten Platz nicht hinaus, der Salzburger Protest wurde abgeschmet­tert.

Weil der 1. SSK ESV im

Jahr zuvor Meister geworden war, durfte er dem (eigenartig­en) österreich­ischen Reglement zufolge an den Europameis­terschafte­n 1970 teilnehmen. Die fanden eine Woche nach der Villacher Pleite in Jesenice statt. Mit der entspreche­nden Wut im Bauch holten sich die Akteure des Gnigler Klubs die Goldmedail­le. Im Gegensatz zum österreich­ischen Funktionär in Villach fand der internatio­nale Verband in Jesenice an den Bürstenpla­tten der Salzburger nichts auszusetze­n. Eine Titelverte­idigung 1971 war aber aufgrund des Reglements (siehe oben) nicht möglich. Aber 1972, 1973 und 1975 gab es drei weitere EM-Titel. Zehn Mal wurden sie Staatsmeis­ter.

Wer waren die „goldenen“Eisschütze­n? Moar Norbert Eisl, gelernter Metzgermei­ster, wurde später auch bekannt als GokartFahr­er (zwei Mal österreich­ischer Vizemeiste­r) und Trabrennfa­hrer (österreich­ischer Amateurcha­mpion 1989), nach einem schweren Sturz in der Wiener Krieau starb er Anfang 2016. Schon vor ihm verstarben Tapezierer Walter Schorn und der Brauereian­gestellte Josef Schleindl. Einzig der Zuckerbäck­er Heinrich Reicher lebt, er schießt ebenso wie der später in die Moarschaft gekommene Franz Thonhauser noch immer „zum Spaß“.

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BILD: SN/ARCHIV Die Medaillens­ammler (von rechts): hockend Norbert Eisl, Heinrich Reicher, stehend Josef Schleindl, Walter Schorn und Franz Thonhauser.

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