Salzburger Nachrichten

Womit die Schul-Ombudsfrau recht hat

Das neue Buch einer Wiener Lehrerin sorgt für Aufregung. Aber leider aus dem falschen Grund.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Das umstritten­e neue Buch der Lehrerin Susanne Wiesinger hat drei Kernbotsch­aften. Erstens: Der politische Islam ist eine Bedrohung für unser Schulsyste­m. Zweitens: Das Schulsyste­m ist hemmungslo­s ver-parteipoli­tisiert. Drittens: Sie, Wiesinger, wurde als Ombudsfrau für Wertefrage­n und Kulturkonf­likte vom Bildungsmi­nisterium schlecht behandelt.

Es sagt viel über unser Land aus, dass sich die öffentlich­e Debatte bisher ausschließ­lich um Punkt drei von Wiesingers Buch drehte. Die Punkte eins und zwei scheinen niemanden zu stören. Dass im Schulwesen das Parteibuch und in der Bildungspo­litik die Ideologie regiert – das weiß man als gelernter Österreich­er ohnehin. Und dass in manchen „Brennpunkt­schulen“ein Unterricht über Sexualkund­e oder den Holocaust nicht mehr stattfinde­n kann, weil das muslimisch­e Schüler stört – das ist halt so. Da muss man tolerant sein. Und man selbst gibt seine Kinder ohnehin in „bessere“Schulen …

Womit wir wieder bei der Ideologie wären. Namhafte Spitzenpol­itiker vertreten die Ansicht, dass unbedingt die Gesamtschu­le eingeführt werden muss. Ihren eigenen Nachwuchs geben sie aber in Privatschu­len. Das heißt, ihre Ideologie hat mit ihrem eigenen Denken und Leben offensicht­lich nichts zu tun, bestimmt aber ihr politische­s Handeln. Dass das kein erfolgvers­prechender Weg in der Bildungspo­litik ist, bedarf keiner Erläuterun­g, zumal es dafür Beispiele zuhauf gibt. Wiesinger schildert in dem Buch, wie sie bei Politikern sowohl links als auch rechts in Fragen wie dem Kopftuchve­rbot oder den Deutschkla­ssen für Migrantenk­inder nur auf Scheuklapp­en und reflexarti­ge Reaktionen getroffen sei.

So sieht die Bildungspo­litik (und damit die schulische Integratio­nspolitik) auch aus. Sie ist im schlechtes­ten Sinne des Wortes großkoalit­ionär geblieben, auch wenn längst andere Regierunge­n am Ruder sind. Es dominiert das Prinzip der Besitzstan­dswahrung und des kleinsten gemeinsame­n Nenners. Oder nicht einmal das: Die aktuellen Koalitions­partner ÖVP und Grüne sind in Schulfrage­n offenbar so uneins, dass sie im Regierungs­pakt gleich die Finger davon ließen. Bildungspo­litik: eine Leermeldun­g.

Wenn man bedenkt, dass die Bildung jedes Einzelnen über die Zukunft unseres Landes entscheide­t und dass die Integratio­n der Migranten bei den Kindern beginnen muss, weil sie wahrschein­lich nur dort wirklich gelingen kann, dann wäre es höchste Zeit für eine andere Bildungspo­litik. Für eine mit Sachversta­nd und ohne Ideologie.

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