Sexismus muss niemand aushalten
Die Frauenministerin sei noch nie von Sexismus am Arbeitsplatz betroffen gewesen, sagt sie. Solche Aussagen haben Folgen.
„Dein Rock ist heute aber ganz schön kurz, Schatzi.“Ein unangebrachter Kosename, ein sexistischer Witz am Rande oder ein männlicher Kollege, der einer Frau im Meeting das Wort abschneidet. Sexismus am Arbeitsplatz hat viele Gesichter. Mehr als jede zweite Frau in Österreich hat das schon erlebt, ergab eine Studie der Sozialforschungsinstitute Ifes und Sora aus dem Jahr 2018. Die Zahlen sind deutlich höher als in Vorjahren. Ein Grund dafür ist sicherlich die Debatte rund um #MeToo, die Menschen eher dazu bewegt, den Mund aufzumachen.
Und dafür sollte vor allem eine Frauenministerin sensibilisiert sein. „Ich hatte das große Glück, dass ich noch nie Sexismus am Arbeitsplatz erlebt habe“, sagte die neue Frauenministerin Susanne Raab kürzlich in einem Interview. Wahrscheinlich hat sie es nur nicht bemerkt. Denn die Alltagswelt vieler Frauen und auch Männer sieht anders aus. Von einer Frauenministerin
ist zu erwarten, dass sie das auch sieht und ein rhetorisches Gespür dafür beweist.
Natürlich muss ein Finanzminister nicht zwingend ein börsennotiertes Unternehmen geführt haben, eine Sportministerin keine Leichtathletikkarriere hinter sich haben. Und eine Frauenministerin muss auch keine Alice Schwarzer sein. Aber in dieser Thematik ist Feingefühl besonders wichtig. So sagte Raab auch: „Ich war in den letzten Jahren in Führungspositionen tätig. Und da muss man sich schon behaupten können.“Das erinnert an Bundeskanzler Sebastian Kurz, der zu rassistischen und sexistischen Angriffen auf Justizministerin Alma Zadić meinte: In der Politik müsse man so etwas eben aushalten.
Mit dem Faktum mag er recht haben und dennoch ist eine solche Wortwahl ein Problem. Denn sie verortet einen Teil der Schuld bei den Betroffenen. Ist der- oder diejenige doch selbst schuld, wenn die eigene Haut nicht dick genug ist. Das lenkt den Blick weg von den Schuldigen.
Noch dazu bietet das Netz einen perfekten Nährboden dafür, Beleidigungen freien Lauf zu lassen. Auch eine Klarnamenpflicht hilft da wenig, wie der Fall Alma Zadić zeigt. „A Kugel is dera reserviert“, kommentierte einer. Mit vollem Namen.
Die Hürden im Kampf gegen sexistische und rassistische Übergriffe in sozialen Medien müssen gesenkt werden. Zadić will mithilfe des Strafrechts schärfer gegen Hass im Netz vorgehen. Auch Sexismus am Arbeitsplatz wird zu wenig geahndet. In einem Interview mit den SN am Samstag sagte die Frauenministerin: „Wir werden bei diesem Thema stark in die Bewusstseinsbildung gehen.“Das ist wichtig. Aushalten sollte keine Frau etwas müssen.