Gepflegte Wildheit
Faulheit, Eitelkeit, Dominanzstreben, Machogehabe oder gar ein Signal ans andere Geschlecht? Bartträger verraten haarige Details.
Im Urlaub pfeifen Männer gern auf die tägliche Rasur und lassen der Natur freien Lauf. So war es auch bei Landespolizeidirektor Franz Ruf. „Die Reaktionen waren überwiegend positiv, bisher werde ich bestärkt, den Bart weiterhin zu tragen.“
Sternbräuwirt und ÖVP-Gemeinderat Harald Kratzer trägt seit 2013 Gesichtsbehaarung und ist damit in bester Gesellschaft. Der Trend zum Bart hält an. Zu seinem 50. Geburtstag begab sich Kratzer mit seinen Töchtern auf Weltreise. Der Rasierapparat kam in den sechs Wochen nie zum Einsatz. „Meine Töchter fanden den Bart cool.“Der Papa vertraute dem weiblichen Urteil – der Bart blieb. Und mit ihm ein Vorteil, den Kratzer zu schätzen weiß: „Der Bart macht schlanker.“
Alle zwei Wochen steigt der Gastronom die Stiege zum Keller im Hotel Carlton hinab und vertraut sich und seinen grau melierten Bart „The Barber“Stefan Pfister an, der ein Reich geschaffen hat, in dem Männer unter sich sind. In der Mitte thront eine Bar, wer sich vor der Rasur entspannen will, nimmt auf der fetten Ledercouch
Platz. Kratzer hat ein Jahresabo beim Barber. „Selbst würde ich mir das nie antun.“Heuer wird Kratzer im Advent zum wandelnden Christbaum: Der Barber wird am Bart kleine Dekokugeln anbringen.
„Männer verstecken sich nicht hinter einem Bart“, sagt Pfister. Im Gegenteil. „Die meisten Bartträger senden selbstbewusste Schwingungen aus.“Bärte seien schon immer Trend gewesen. „Es war nur 25 Jahre lang üblich, keinen Bart zu tragen.“
Wer Bart trage, müsse ihn pflegen, betont Stefan Ornig, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur movea und Sprecher der Drogeriemarktkette dm, deren Produktpalette für Bartträger stetig wächst. „Ich hatte schon immer einen Faulheitsbart.“Vor zwei Jahren wuchs der Dreitagebart
zu einem veritablen Vollbart heran. „Das ist einfach passiert, ich habe ausgeschaut wie ein wilder Afghane“, sagt Ornig. Einmal habe er am Flughafen in London sogar Probleme bekommen, weil er dem glattrasierten Mann auf dem Passfoto so gar nicht ähnlich schaut. Wegen der positiven Rückmeldungen beschloss Ornig, die üppige Pracht in gezähmter Form zu behalten. Er ist abwechselnd bei einem der dm-Friseure und beim Barber anzutreffen. Zu Hause greift er jeden zweiten Tag zu Bartöl und Lotion.
Auch Landesrat Stefan Schnöll (ÖVP) ist sein Bart passiert. „Eines Tages vor zwei Jahren habe ich aus Bequemlichkeit beschlossen,
„Der Bart geht mir zeitweilig furchtbar auf die Nerven, aber kapitulieren? Niemals!“
Sepp Schellhorn
Politiker
„Ich war zu faul, den Bart abzurasieren – dann blieb er.“
Max Mayr Melnhof, Landesjäger
„Mein Männlichkeitsbild prägten Naturburschen und Schauspieler wie Charles Bronson.“
Thomas Kinberger
Vorsitzender ÖGKLandesstelle
mich nicht mehr zu rasieren.“Wild habe er anfangs ausgeschaut und positive wie auch kritische Kommentare geerntet. Schnöll trimmt den Bart selbst und fühlt sich mit seiner kürzeren Variante sehr wohl. „Ich freue mich schon, wenn der Bart grau wird.“Das wird noch dauern. Schnöll ist erst 31. Und er ist der einzige Bartträger in der Landesregierung. LH Wilfried Haslauer habe ihn noch nie auf den Bart angesprochen, sagt Schnöll und fügt mit einem Augenzwinkern an: „Aber ich kann mir vorstellen, dass er sich wünschen würde, dass ich ihn abrasiere.“
Landesjägermeister Max Mayr Melnhof trug schon zu einer Zeit Bart, als glatt rasierte Männerbacken das Nonplusultra waren. Der Bart spross 2001 während eines Urlaubs im Nationalpark von Tansania. „Ich war zu faul, um mich zu rasieren.“Seine Frau habe befunden, dass er durch den Bart seriöser ausschaue. Alle fünf Tage wird der Bart gestutzt. Er sei weder „Trendmensch“noch eitel, sagt Mayr Melnhof. Wiewohl der Bart durchaus einen „Touch
Männlichkeit “verleihe. Das findet auch der Vorsitzende der Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Thomas Kinberger. „Ich trage Vollbart, seit er herzeigbar ist.“Mit 22 Jahren habe er die persönliche Vorliebe für Bärte entdeckt. „Jeder hat ein gewisses Männlichkeitsbild. Meines prägten Naturburschen und US-Schauspieler wie Charles Bronson oder Charlton Heston.“Die Filmhelden trugen zwar keinen Vollbart, sie verkörperten aber den Typ des starken Kämpfers. Apropos Kampf: „Die erste Hürde, die jeder Bartträger überwinden muss, ist die Zustimmung seiner Frau oder Freundin, die ja unmittelbar mit der Bartbehaarung konfrontiert ist“, sagt Kinberger. Er legt großen Wert auf die Bartpflege. „Sie ist viel aufwendiger als die tägliche Glattrasur.“
Michael Schiechl, Stürmer beim EC Red Bull Salzburg, trägt Bart, seit dieser wächst. „Der Bart gehört zu mir, ohne fühle ich mich nackt.“Nach den Play-offs kommt der Bart weg. „Dann beginne ich wieder bei null.“
Der Bart von Hotelier und Neos-Landessprecher Sepp Schellhorn entspross einer politischen Provokation und begann 2014 nach Schellhorns Einzug in den Nationalrat zu sprießen. „Ich habe mich in einer Debatte vom ÖVP-Sportsprecher provozieren lassen.“Der habe ihn und NeosNationalrat Niko Alm aufgefordert, den Dreitagebart zu rasieren und das Hirn einzuschalten. Schellhorn konterte: Er werde sich erst rasieren, wenn eine „echte Steuerreform“Wirklichkeit werde. Weil die nicht in Sicht sei, werde er den Bart wohl noch lange tragen, meint Schellhorn. „Er geht mir zeitweilig furchtbar auf die Nerven, aber kapitulieren? Niemals!“
„Der Bart ist zufällig während eines Urlaubs entstanden.“
Franz Ruf, Landespolizeidirektor
„Ich kann mir vorstellen, dass sich der Landeshauptmann wünschen würde, dass ich den Bart abrasiere.“
Stefan Schnöll
Landesrat
„Ohne Bart fühle ich mich nackt.“
Michael Schiechl,
Eishockey-Profi
Mit diesem Look von Barber Stefan Pfister unterstützte Schiechl im November die Aktion „Movember“zur Prostatakrebsvorsorge.
„Ich erspare mir seit 25 Jahren die tägliche Rasur und habe so einen Monat gewonnen.“
Christoph Andexlinger, Manager „Der Bart macht schlanker.“
Harald Kratzer,
Sternbräuwirt